Entwicklertagebuch, Teil 2 – der Schaffensweg eines erfolgreichen Autors

Ich habe mich dafür entschieden, das Entwicklertagebuch unregelmäßig zu schreiben. Das heißt, immer, wenn etwas Erwähnenswertes geschehen oder ein Meilenstein erreicht ist, werde ich einen Eintrag vornehmen. Ich hatte das Vergnügen mit Jörg Köster, Autor des Rollenspiels Seelenfänger, zu schreiben und seinen Schaffensweg zu erfahren. Eine kleine Warnung vorweg, dieses Gespräch könnte junge, aufstrebende Autoren, in denen noch das Feuer des Schaffens heiß brennt, desillusionieren.

 

Ein Beispiel eines erfolgreichen Autors
Jörg hatte schon Jahre, bevor es zur Veröffentlichung kam, damit begonnen, sein Spiel dafür vorzubereiten. Das heißt, er hatte seine erste Version, die weder ein professionell gestaltetes Layout, noch viele, hochwertige Illustrationen besaß, verteilt. Aufmerksamkeit erzeugen, sichtbar werden, das waren auch seine ersten Schritte. Dann begann das Netzwerken.
Er hatte zufällig Kontakt zu einem angehenden Künstler erhalten, der erstmal unentgeltlich und später zu einem Freundschaftspreis seine Dienste angeboten hat. Dadurch sind sein Cover und einige Illustrationen entstanden. Der Künstler kannte andere Künstler oder entsprechende Seiten, die wiederum unentgeltlich oder für wenig Geld ihren Beitrag zu seinem Buch geleistet haben. Es ist also möglich, auch mit einem kleinen Budget Illustrationen zu erhalten. Aber es dauert viel Geduld, Zeit und Mühe entsprechende Künstler kennenzulernen. Jörg sagte zudem, dass gute Illustrationen das teuerste am ganzen Rollenspiel sind.
In dieser Form, also mit eigenen Text, kostengünstigen Illustrationen und eigenem Layout, kam dann die erste Version seines Spiels heraus. Gleichzeitig bot er es kostenlos zum Download auf seiner Website an. Die kleine Auflage von 20-50 Exemplaren, die er damals für Conventions drucken ließ, hatte er zum Selbstkostenpreis verkauft. Gerade in der ersten Zeit hat er damit nichts verdient.
Das ist, denke ich, ein wichtiger Punkt. Es kann für junge Entwickler frustrierend sein, so viel Arbeit in das Projekt zu stecken und dann erstmal nichts dafür zu erhalten. Im Gegenteil, als Entwickler steckt man sogar noch Geld und weiteren Fleiß in die Veröffentlichung und geht mit einem klaren Minus wieder heraus. Das sollte jeder wissen, der sich dieser Aufgabe annimmt.

 

Ist Undank des Entwicklers Lohn?
Warum sollte ich nun, wenn ich Minus mache und so viel Zeit, sowie Liebe in das erste Buch stecke, überhaupt damit anfangen? Weil das Grundregelwerk nur der erste Schritt auf der Straße der Weltenschöpfung ist. Sicherlich können die Gründe auch ganz andere sein. Mich persönlich erfüllt es auch einfach, eine dynamische Idee zu erschaffen, in der andere teilhaben können und die mich vielleicht sogar überdauern könnte. Andere träumen sicherlich davon ihr Hobby zum Beruf zu machen. Doch aus ökonomischer Sicht muss erst einmal die Grundlage für die Produktpalette gelegt werden.
Jörg wollte sein Spiel später auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Dafür benötigte er einen Verlag und mehr Professionalität. Er suchte und fand Co-Autoren, die ihm unterstützt haben. Der Inhalt verdreifachte sich, die Qualität der Texte stieg und das Würfelsystem wurde in Fate Core umgeschrieben. Die Entwicklung erzeugte Aufmerksamkeit von Verlagen. Dadurch ist er bei der Redaktion Phantastik gelandet, die sich unter anderem um Illustratoren und Versand gekümmert hat. Jetzt haben sich eine Vielzahl von weiteren Projekten für ihn eröffnet. Dazu gehören ein Schnellstarterszenario für Messen, ein Hörspiel, eine Kurzgeschichtensammlung und eben auch Folgebücher mit neuen Material für sein Buch. Sein eigenes, gewachsenes Rollenspiel will der Verlag, in ein paar Monaten per Crowdfunding, herauszubringen.

 

Was war das Erfolgsrezept?
Wenn ich Jörgs Erfolgsgeschichte also für mich zusammenfasse, war die eigene, wenn anfangs leider auch unprofessionelle, Aufmachung und Verbreitung eine nützliche Strategie, um Aufmerksamkeit zu erhalten und Netzwerke aufzubauen. Am Ende waren es genau diese beiden Dinge, die Aufmerksamkeit und das Netzwerk, welche Jörn die Qualität seines Buches so weit steigern ließen, dass es für einen Verlag interessant wurde. Sicherlich sollte auch ein Verlag mit Vorsicht genossen werden, denn wie er meinte, ist nicht alles Gold was glänzt. Aber zumindest an der Redaktion Phantastik scheint er einen vertrauenswürdigen Partner gefunden zu haben, der sich um die professionelle Veröffentlichung kümmert.
Um diese Punkte zu erreichen, hat er mir noch ein paar Tipps gegeben. Man solle auf Conventions gehen, Flyer verteilen, so viele Demonstrationsrunden spielen, wie möglich und mit allen Leuten sprechen, die sich dafür interessieren können. Da es für Rollenspieler keine zentrale Plattform gibt, muss man überall Präsenz zeigen, in Facebook, in Foren wie Tanelorn.net, genauso wie auf Messen. Auf Blogs kann man anfragen Probebeiträge zu erstellen und dafür eine Verlinkung zur eigenen Facebookseite oder dem eigenen Blog zu erhalten. Hauptsache man ist sichtbar und spricht mit den Leuten.
Allgemein warnte er jedoch vor der Idee, mit Rollenspiel in Deutschland Geld zu verdienen. Gerade am Anfang wird jeder junge Entwickler Geld und viel Arbeit in sein Projekt reinstecken müssen, ohne etwas zurückzubekommen. Entmutigen lassen solle man sich, nach ihm, trotzdem nicht. Bei so einem Projekt lerne man auch eine ganze Menge, sowohl Personen als auch die Szene und Vorgänge kennen. Außerdem macht es Spaß sich selbst zu verwirklichen. Ich würde diese Aussage gern noch ergänzen. An all die jungen Entwickler da draußen, lasst euch gesagt sein: Behaltet euer Feuer euren Traum zu realisieren und eure Leidenschaft für Rollenspiel bei, auch wenn es vielleicht düster wirken mag. Denn zum einen zeigen immer wieder erfolgreiche Kickstarter, dass es möglich ist und zum anderen lebt unser Hobby nur durch Menschen wie euch. Jeder ernsthafte Versuch der Realisierung, so empfinde ich, ist zu achten und wertvoller, als seine Rollenspielträume in der Bedeutungslosigkeit versanden zu lassen.

4 Gedanken zu „Entwicklertagebuch, Teil 2 – der Schaffensweg eines erfolgreichen Autors

  1. Eismann

    Allgemein sollte man seine wirtschaftliche Zukunft nicht an Rollenspiele hängen. Es gibt vielleicht ein halbes Dutzend Leute in Deutschland, die mehr oder weniger gut davon leben können, Rollenspiele zu entwickeln oder für sie zu schreiben. Und die sind bei Verlagen angestellt. Für alle anderes ist es schlecht bezahltes oder unbezahltes Hobby oder im besten Falle ein netter Nebenerwerb. Der deutsche Markt ist einfach zu klein und zu gesättigt und die Möglichkeiten ohne Verlag zu beschränkt, um da nochmal den großen Wurf zu landen.
    Aus Leidenschaft und Freude an der Entwicklung zu publizieren ist da eine andere Nummer. Das ist nie verkehrt. Aber finanziell lohnt sich das so gut wie nie.

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  2. Andreas (RPGnosis)

    Ich lese dein Tagebuch mit großem Interesse, da ich ja ebenfalls seit vielen Jahren an einem eigenen Systemen werkle.
    Die Veröffentlichung ist ein leidiges Thema, bei dem man nicht nur an den eigenen Ansprüchen (Illus, Druck etc.) scheitern kann; ichmir nicht sicher, wie heute neue Rollenspiele überhaupt noch eine Chance haben, insbesondere auf dem winzigen deutschen Markt. Von der die Ausnahme bestätigenden Regel Splittermond (und dies auch vor allem, weil es in die DSA4-Lücke stieß, von viel Vertrauensvorschuss profitieren konnte und auch abseits der konkreten Spielinhalte sehr vieles sehr richtig macht) scheinen mit seit Jahren kaum mehr neue Systeme rauszukommen, die es auf mehr als eine Publikation bringen und die nicht im Fahrwasser der Großen unterwegs sind – also z.B. mit SW, Fate, D20 etc. funktionieren.
    Was mich, als ich mich mit der Veröffentlichungsfrage beschäftigte, dazu brachte, meine eigene Motivation dazu zu hinterfragen: Geld verdienen? Kann man abhaken. Berühmt werden? Ginge besser mit Youtube (oder sogar dem eigenen Blog). Der Welt das beste aller möglichen Systeme schenken? … … siehe, was mit Seelenfänger passiert ist, wurde auf Fate umgeschrieben, bevor es breiteren Anklang fand.
    Gerade Beispiele wie das letztere und längere Erfahrung in Foren und Blogs kann einen schnell zu der Meinung bringen, dass die Community da draußen durchaus nicht auf dein/mein selbstgeschriebenes und viel besserers System wartet, sondern dass die allermeisten Rollenspieler sich in ihrer Nische durchaus wohlfühlen, so dass sie in der Regel gar kein Interesse haben, wirklich mit Herzblut und Ernst was Neues auszuprobieren; außer vielleicht neue Settings (mit ihren gewohnten Universalregeln). Aus einigen schlichten Fakten haben wir mit neuen selbstgeschriebenen Systemen heute kaum eine Chance: a) die meisten Rollenspieler sind alt (soweit man weiß, und die man sieht), haben also meist schon lange ihre Nische gefunden. b) Rollenspiele gibt es lange genug, dass, gerade in den letzten 20 Jahren, auch alle möglichen Nischen schon besetzt wurden. c) die meisten Rollenspieler sind alt, was heißt, sie haben 1) nicht mehr so viel Zeit, um sich in Neues einzuarbeiten, 2) Runden, die schon laufen und an ihr Haussystem gewohnt sind. Oder aber, sie haben Gründe, warum ihre Runden nicht mehr laufen, und dafür sind die Gründe vermutlich meist andere als Systemverdruss, nämlich eher individuelle Lebensplanung und Verlust von gewohnten Mitspielern. Und da a) und c), sinkt mit dem Alter meist auch die Bereitschaft, sich auf ganz neue Runden und Mitspieler einzulassen – oder zumindest die Bereitschaft, das eigene Spielen auch soweit zu ändern, dass diese neuen Runden wiederum stabil werden können.
    Also zurück zur Motivationsfrage: ich bin inzwischen eher weg davon, mit Triakonta/Pandora eine publizistischen oder gar finanziellen Erfolg zu erwarten, sondern habe zunehmend mehr in den Fokus genommen, das beste mögliche System für meine Runde, mich, und die möglichen Neuspieler, die zu uns stoßen, zu kreieren. Das ist wesentlich realistischer.
    Was aber auch mich zu dem abschließenden Ratschlag bringt, den dir auch Jan im letzten Artikel schon gab: Teste, teste, teste. Spieltests sind besser als alle Gedankenexperimente, auch wenn man letztere anzuwenden gut beherrscht. Und durch Tests wird sich das Spiel nochmal um ein gutes Stück abschleifen. Wichtig ist dabei vor allem, dass man eine motivierte Runde hat, die sich der Funktion des Regeltestens bewusst ist und die damit klar kommt, wenn sich manche Mechanismen zwischen den Sitzungen verändern. Und die von vornherein genug Respekt vor deiner Arbeit mitbringen, um nicht zu meinen, du schriebst dieses Spiel nur für sie allein .:)

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    1. Ariatros Artikelautor

      Erst einmal vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Du eröffnest damit ein wichtiges Thema, welches ich bereits in den Beitrag zur Utopie einer Rollenspielkultur angerissen habe. Ich habe nämlich die Befürchtung, dass sich unsere derzeitige Rollenspielkultur selbst zerstört. Ich bin da auch sehr auf eure Meinungen gespannt. Aber über die Jahre, und da stimme ich dir voll und ganz zu, hat sich ein immer kleiner werdender Haufen elitärer, systemträger Stammspieler gebildet, die weder, wenn ihnen ihre langjährigen Mitspieler nicht verloren gehen, ein sonderlich großes Interesse daran haben, sich zu vernetzen, noch von ihren bekannten Systemen abweichen. Ihnen wird ja alles geboten was sie wollen und schlimmer noch, sie hegen einen Anspruch darauf. Das macht es besonders neuen Systemen unheimlich schwer mit geringen Budget erfolgreich zu sein. Wenn man nicht gerade einen originellen Überraschungserfolg landet, muss man gegen seit Jahrzehnten etablierte Systeme antreten. Denn der ihre Qualität wird von diesen Stammspielern gefordert. Wo sind die Zeiten hin, als eine geradezu kindliche Liebe zum Rollenspiel die Menschen beflügelt hat? In der es ganze Universen zu kosten galt? Alles, so scheint es mir, ist heute so festgefahren und wer die historisch gewachsene Messlatte nicht überspringen kann, der wird ignoriert. Aber wie soll ich, als junger Entwickler, es mit jahrelangen Qualitätsverbesserung und Entwicklung aufnehmen? Und das gilt nicht nur für mich. Ich fürchte, hunderte von engagierten Entwicklern, die mit ihren Ideen die Rollenspielandschaft wirklich bereichert hätten, sind bereits an dieser Hürde gescheitert. Es ist meines Erachtens nach vor allem ein Kulturproblem. Junge, unbedarfte Rollenspieler, die sich noch auf der Experiment Rollenspiel einlassen, findet man kaum noch. Rollenspiel ist für viele auch kein Experiment mehr, sondern eiskalte Berechnung. Wie oft saß ich in einer Gruppe und der (Stereo)Typ neben mir, quasselt mir die erste halbe Stunde die Ohren voll, welche Boni er hat und wie heftig er zuhauen kann. Ich weiß nicht, ob dass mit der Ökonomie der Computerrollenspiele gekommen ist, aber so eine Mentalität zerstört für mich den Geist des Rollenspiels. Ich sitze nicht in der Runde, damit sich Leute mit ihren imaginären Werten vor mir profilieren können. Dieser Fokus auf Zahlen durchzieht dann das Abenteuer und die Grupp. Ich komme mir dann wie in einer einzigen Gleichung vor, in der die Szene nur noch ein Operationszeichen ist. Welche Orignialität soll man auch aus bloßen Zahlen schöpfen? Welche Attraktivität soll denn da für Neuspieler herrschen? Ich bin der Ansicht, dass die überalterte, elitäre Kultur der Stammtischrollenspieler das Hobby einengt, völlig überhöhte Ansprüche projeziert und Nachwuchs vergrault. Solange diese Entwicklung so weitergeht, wird deutsches Rollenspiel immer ein kleiner, undankbarer Markt bleiben, in dem sich junge Entwickler nur durch sehr viel Glück und die richtigen Kontakte (man merkt die große Willkür beider Faktoren) behaupten können.

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      1. Eismann

        Ich denke schon, dass man mit einem neuen Rollenspiel einen Achtungserfolg erzielen kann. Das läuft dann aber primär über richtig gute Illus und vorzugsweise einen innovativen Hintergrund. Rollenspiele mit EDO-Fantasyhintergrund (oder Cyberpunk, Vampire o.ä.) und mittelmäßigen Illus gibt es halt zu tausenden.

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