Entwicklertagebuch, Teil 4 – Spielewerkstatt

Ich hatte das große Glück, eine Werkstatt für Spieleentwickler mit organisieren zu dürfen. Darin trafen sich Prototypenbastler, Spieleredakteure, Mitarbeiter in Verlagen, Spieler und Autoren, die bereits Spiele erfolgreich herausgebracht haben. Das Ganze entstammt zwar dem Brett- und Kartenspielbereich, ist aber für die Rollenspielentwicklung ebenso relevant. Ich will euch einen kurzen Überblick geben, was besprochen wurde und welche Erkenntnisse man eventuell für die Rollenspielentwicklung daraus ableiten könnte.

Für alle Interessenten: die Spielewerkstatt ist zweiwöchentlich immer am Freitag (nächster Termin: 19.05.), kostenlos und findet immer 18 Uhr in der Hardenbergstr. 23 in 06114 Halle (Saale) statt.

 

Was ist ein gutes Spiel?

Angefangen haben wir mit einem theoretischen Teil. Darin war eine der ersten Fragen, was denn ein gutes Spiel ausmacht? Eine der ersten Antworten war, dass es Spaß machen muss. Aber damit gab sich niemand zufrieden. Es kam dann eine Wortmeldung, die mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Es wurde ein Spiel benannt, das Katastrophenspiel, was von seinen Spielmechaniken wunderbar funktionieren sollte und auch Spaß macht. Die grafische Erarbeitung des Spiels war von einigen aber als desolat bewertet wurden. Ich empfand sie auch nicht als gelungen. Sie bestand ausschließlich aus selbst geschossenen Bildern mit einer privaten Kamera oder dem Handy. Allerdings bin ich in der 8-Bit-Generation groß geworden. Grafik war für mich noch nie ein Argument, ein Spiel links liegen zulassen. Für einige der anderen aber schon. Die Grafik wurde hier über den Spielspaß, dem Ziel des Spiels gestellt. Ja, Grafik gehört mit zum Erleben. Wer kennt das nicht: man sieht allein die Illustrationen und freut sich schon auf das System, ohne es wirklich zu kennen. Doch will ich davor warnen, ihr einen zu großen Stellenwert zu geben. Ohne Inhalte ist Grafik schlicht austauschbares Design. Sie muss sich auf etwas beziehen und sollte lediglich bestimmte Inhalte visualisieren. Wenn sie für sich selbst steht, weil zum Beispiel der Fokus auf die Grafik und nicht den Inhalt gelegt wurde, ist das Resultat eher ein Produkt der Kunst, statt ein Spiel.

Diese Wertverteilung hat weitrechende Konsequenzen für die Rollenspielentwicklung. Ich bin ein 08/15-Verdiener. Ich habe kein Geld für professionelle Designer. Einer hatte mir mal ein Freundschaftspreis gemacht. Das waren 10000 Euro für mein gesamtes Grundregelwerk. Das ist eine Summe, die ich einfach nicht stemmen kann. Ich bin also darauf angewiesen günstigere No-Name-Künstler anzuheuern, die demzufolge eher funktionale Grafiken erstellen. Ich kenne genug Personen, die sich von der Schachtel im Regal anlachen lassen und nur deswegen zugreifen. Ich weiß nur, ich besitze zu wenig Mittel, um so einen Effekt zu erzielen. Wenn die grafische Gestaltung einen so hohen Stellenwert einnimmt, sind vor allem diejenigen bevorteilt, die sie sich leisten können und das sind selten kleine Indie-Entwickler. Aber gerade diese sind, meiner Meinung nach, für die Branche wichtig. Denn ein größeres Unternehmen will natürlich so wenig finanzielle Risiken wie möglich eingehen. Deswegen wird ein Segment bedient, das bekannt ist. Hier ist klar, was die Zielgruppe will und genau das wird geliefert. Das ist allerdings meistens alter Wein, der durch neue Schläuche gepumpt wird. Innovationskraft liegt daher besonders bei den Indie-Entwicklern, die sich deutlich mehr wagen können, als größere Unternehmen. Ich fürchte, Illustrationen so wichtig zu machen, würde sie ein gutes Stück weit verdammen.

Ich frage mich dabei auch, ob wir Spieler uns durch unsere Erwartungen nicht vielleicht sogar selbst zum Mainstream verdammen. Immerhin sind wir ja die Käufer und verlangen einen gewissen Standard. Vor vielen Jahren besaßen die Rollenspielbücher deutlich weniger und einfachere Illustrationen. Sind wir nicht einfach zu verwöhnt, von aufwendig gemachten Produkten und haben deshalb junge Entwickler, ohne entsprechendes Budget, einen schweren Stand? Wie seht ihr das?

 

Der Haken an der Sache

Kommen wir wieder dazu zurück, was ein gutes Spiel ausmacht. Ein Spielerredakteur meinte, ohne Haken funktioniert heute nichts mehr. Niemand braucht noch eine Variante von Mensch-ärgere-dich-nicht. Zumindest bei Gesellschaftsspielen ist ein besonderes Element notwendig, weil es ansonsten einfach in der Mittelmäßigkeit untergeht. Das kann eine großartige Illustrierung, besondere Regelmechanismen, ein besonderes Setting oder das Spiel mit der Metaebene der Spieler sein. Wichtig ist, dass es diesen Haken hat. Für alles andere, was darum gebaut wird gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Am erfolgreichsten sind Spiele, die einfach zu lernen und schwer zu meistern sind. Das heißt, die Einstiegshürden müssen so gering wie möglich gehalten und Spieloptionen, sowie die Interaktionsmöglichkeiten, so groß wie möglich gehalten werden.

Nachfolgend hatte ein Autor, der bereits erfolgreich veröffentlicht hatte, von seiner Spieleentwicklung berichtet. Zu seiner Idee kam er auf einer Exkursion, als er mit Magic-Spielern verkehrte. Durch lockere Gespräche entflammte er für eine Idee, die er umsetzen wollte. In den folgenden Tagen und Wochen explodierte die Spielidee geradezu vor Einfällen. Die Gefahr, die nun der Spieleredakteur darin sah, war, sich in diese Einfälle zu verlieben. Häufig, so erzählte er, kamen Leute zu ihm, die vollkommen überzeugt von ihrer Spielidee waren und sie nicht mal selbst getestet haben. Dabei heißt viel nicht unbedingt gut. Es gibt dysfunktionale Spielsysteme, die es sich zum Ziel gesetzt haben, etwas zu simulieren oder die Realität abzubilden. Das in Spielregeln zu fassen, ist jedoch meistens umständlich und erzeugt keinen Spaß. Komplexität fordert auch immer Aufmerksamkeit und Konzentration. Wenn also alle liebgewonnen Ideen mit in das Erstlingswerk genommen werden, ohne dass es vorher ausgiebig getestet wird, dann kann es zu so einer Dysfunktionalität kommen. Deswegen, so der Autor weiter, war es für ihn unabdingbar, dass er nicht alleine entwickelt hat. Es standen ihm immer Personen zur Seite, die ihn Feedback geben konnten. Das waren bewusst keine Freunde und Familie. Die tendieren nämlich dazu den anderen nicht verletzen zu wollen und ein zu positives Urteil zu geben. Auf der anderen Seite ist es auch seltener, dass sie das nötige Fachwissen besitzen, um ein qualifiziertes Urteil geben zu können. Die Empfehlung vom Spieleredakteur war dabei: am besten man beschränkt sich auf einen einzigen Spielmechanismus oder seinen Haken und baut das ganze Spiel nur darum auf. Selbst wenn der Rest des Spiels dann nicht mehr so sehr glänzen kann, kann so dennoch der Verlag oder der Kunde am ehesten überzeugt werden. Danach folgte der praktische Teil, in dem wir stundenlang die Prototypen der Autoren testen durften. Es war ein ergiebiger Einblick und spaßiger Spieleabend, den ich nur jeden Interessierten empfehlen kann.

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