Entwicklertagebuch, Teil 5 – Tipps für Rollenspieleentwickler

Ich hatte letztens einen alten Freund getroffen, der von einer Rollenspielidee schwärmte und sie unbedingt anderen zugänglich machen wollte. Er träumte davon, diese Idee in einem Buch zu verewigen. Er war von seiner Idee überzeugt und wünschte sich eines Tages von seinem Hobby leben zu können. Es ist ein schöner Traum, den ich auch vor langer Zeit mal mit ihm geteilt habe und der durchaus verbreitet ist. Aber die ernüchternde Wahrheit ist, dass die publizierfähige Niederschrift eines Rollenspiels höllisch viel Arbeit darstellt. Selbst wenn man all die Mühen, Zeit und Kosten hinter sich gebracht hat, ist der Erfolg längst nicht garantiert. Aus Gesprächen mit Autoren klingt immer wieder, wie schwierig der Verkauf des eigenen Werkes ist. Das liegt, meiner Meinung nach, sowohl an der kleinen Zielgruppe, als auch an deren Überalterung. Langjährige Rollenspieler haben viele verschiedene Werke mitbekommen, vergleichen neue Rollenspielwerke mit professionellen Publikationen und fahren von ihren Rollenspielwünschen her eher eingleisig. Gleichzeitig sind sie aber auch die größte Zielgruppe.
Ich persönlich kenne das junge Feuer sehr gut. Ich schätze die Leidenschaft, mit der man seine Idee entwickelt und anderen präsentieren will. Deswegen habe ich besagten Freund einige Tipps gegeben, die meiner Meinung nach bei der anfänglichen Entwicklung helfen könnten. Ich bin natürlich kein erfolgreicher Autor und unter meinen Ratschlägen kann sich vieles als falsch erweisen. Ich habe aber selbst in meiner Buchentwicklung Fehler gemacht, vor denen ich warnen kann und hilfreiche Quellen entdeckt, auf die ich hinweisen will. Ich hoffe also, den einen oder anderen eine Orientierungsrichtung geben zu können oder sie zumindest zu diskutieren. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn man viel Arbeit in seinen Traum steckt und es niemanden interessiert oder man das Projekt nicht beenden kann. Dazu will ich eine Chronologie von verschiedenen Entwicklungsphasen aufmachen, die bei mir angefallen sind. Ich weiß nicht ob sie exemplarisch sind und immer so vorkommen werden, aber sie werden meine Gedanken und Ratschläge zu den einzelnen Entwicklungsschritten ordnen.

 

Die Idee – Wie anfangen?

Es beginnt meistens mit einer guten Idee. Das kann ein bestimmtes Setting sein, ein innovativer Regelmechanismus oder eine tolle Hintergrundwelt. Wenn diese noch nicht da ist, aber trotzdem der Wunsch nach einem eigenen Rollenspiel vorhanden ist, lohnt es sich einfach ein paar andere Systeme zu spielen. Auch Computerspiele und Bücher können helfen, sich von bestimmten Elementen inspirieren zu lassen. Manchmal ist es aber auch eine bestimmte Situation im Leben, wie eine Exkursion in die Natur oder ein Gedankenblitz, der die Idee hervorbringt. Entscheidend ist nur, dass ihr am Ende etwas habt, was eurer Rollenspiel abhebt und am besten einzigartig macht.
Bevor die Idee aber ausgearbeitet und alles an ihr verschriftlicht wird, kann ich nur empfehlen, sie einfach mal in der eigenen Runde auszuprobieren. Ich selbst hatte das große Handicap, niemanden zum Spielen gefunden zu haben. Das hat gerade zu Beginn meine Regeln zu komplex und träge gemacht. Auf dem Papier klingt immer alles besser, als am Spieltisch. Ich hätte mir sehr viel Arbeit ersparen können, wenn ich von Anfang an meine Idee hätte bespielen können. Die eigene Runde mag kein guter Feedbackgeber sein, weil sie wahrscheinlich schonend bewerten wird und ihr Urteil definitiv nicht repräsentativ ist, aber diese Methode hilft, die Idee direkt im Spiel anzupassen. Dazu muss auch noch kein Regelwerk vorliegen. Wenn es sich vereinbaren lässt, sollte ein Regelsystem gewählt werden, mit dem man vertraut ist. Dann wird sich die Idee ganz von selbst weiterentwickeln, expandieren und sich als Arbeitsgrundlage etablieren. Dann beginnt die eigentliche Arbeit.

 

Buchplanung – Was soll rein?

Meiner Meinung nach sollte sich ein Rollenspielentwickler immer vor Augen halten, dass es unmöglich ist, ein Rollenspiel für alle zu machen. In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Rollenspieler (Quelle: http://www.traumthal.de/2014/03/26/hinter-den-kulissen-umsaetze-im-rollenspiel/), aber das eigene Rollenspiel wird nur einen Bruchteil davon begeistern können. Das mag verschiedene Gründe haben. Zum einen sind Rollenspieler schlecht untereinander vernetzt. Selbst wenn ein neues Produkt erscheint, wird es selbst mit aufwendiger Werbung nur sehr träge kommuniziert. Zum anderen gibt es verschiedene Zielgruppen, die ein Werk schon ablehnen können, wenn es nicht ihr gewünschtes Setting oder die bevorzugte Art von Spielregeln besitzt.
Diesen Punkt halte ich für wichtig.  Es allen recht zu machen, eine Idee schlicht wachsen zu lassen oder so viel wie möglich in das Erstlingswerk reinzunehmen endet wahrscheinlich in einem sehr hohen Arbeitsaufwand, der kaum Anklang finden wird. Ich kann euch nur empfehlen, überlegt, was euer Spiel ausmacht und baut darum das Buch. Ihr habt eine tolle Geschichte? Mit welcher Art von Helden kann man sie am besten erleben? Ihr habt ein tolles Regelsystem? Wie sollte der Hintergrund sein, damit es häufiger zu Situationen kommt, in denen es sich entfalten kann?
Ich habe jetzt keine Umfrage durchgeführt, aber in meinen Kreisen (und die Verkaufszahlen von Rollenspielbüchern, zu sehen in obiger Quelle) verweisen auf einen Wunsch nach Fantasy-Settings. Mir scheint es, dass außerdem gerade der Trend zu kleinen, unkomplizierten Spielen mit einer verrückten oder besonderen Idee sich großer Beliebtheit erfreut. Ihr könnt euch natürlich auch am Mainstream orientieren. Also fragt mal nach, was am liebsten gespielt wird und warum es so gern gespielt wird. Zum Beispiel höre ich zwar überall nur Kritik über das neue schwarze Auge, aber trotzdem spielen es in meiner Umgebung immer noch die meisten Gruppen. Warum ist das so? Meiner Gruppe meint dazu: das Regelsystem ist leicht zu erlernen und der Hintergrund ist gut ausgearbeitet, außerdem kann man jede denkbare Fantasy-Profession spielen. Das reicht ihnen als Kauf- und Spielgrund aus und es sind gute Gründe.
Sobald dieser Kurs steht, beginnt eure Gedanken zuordnen und die Kapitel eures Buches zu planen. Ihr werdet immer mindestens drei Kapitel benötigen:

  1. Charaktererschaffung/ Charaktersystem 2. Regeln für Fertigkeiten/ Kampf 3. Hintergründe

Dann kommen weitere Gedanken hinzu. Braucht ihr Ausrüstung für euer Spiel? Wenn ja, wird sie so wichtig, dafür ein eigenes Kapitel mit Tabellen anzulegen? Wollt ihr ein Einstiegsabenteuer? Sollte noch zusätzlich ein Kapitel nur für Feinde und Nicht-Spieler-Charaktere folgen? Schaut ganz genau, was ihr braucht und beginnt erst die Verschriftlichung, wenn diese Planung abgeschlossen ist. Hier ist es hilfreich, wenn ihr euch vorstellt, das erste Mal zu spielen. Wie würden euch die Texte am besten und am übersichtlichsten zu den Informationen bringen, die ihr braucht? Versteht ihr auf Anhieb, was dasteht oder müssen da noch Beispiele und Erklärungen rein? Wie würdet ihr nach bestimmten Inhalten suchen und was würde euch die Suche dabei erleichtern? Am Anfang habe zumindest ich wild drauf losgeschrieben. Vieles davon hat es nie ins Buch geschafft. Das hätte ich durch klare Ziele, also welche Inhalte ich in den einzelnen Kapiteln benötige, vermeiden können.

 

Texte und Testen – Wie durchführen?

Hier sind wir beim zeit- und arbeitsaufwendigsten Teil. Mir hat es zwar großen Spaß gemacht, die Hintergründe zu schreiben, aber die Regeln dafür zu berechnen, auszuformulieren, zu balancieren, zu testen und wieder zu testen war ein Grauen für mich. Vermutlich ist das die Phase, in der Projektabbrüche am wahrscheinlichsten sind. Ich kann euch daher nur beschwören: haltet durch! Wenn ihr euch noch überhaupt nicht sicher seid, ob ihr das könnt, versucht es erstmal mit was Kleinem. Ein kostenloser One-Shoot oder eine inoffizielle Erweiterung für ein bestehendes System zeigen euch, ob ihr so ein Projekt durchziehen könnt und geben euch schon mal erstes, wichtiges Feedback.
Es gibt hier auch ein paar Dinge, die euch helfen könnten. Fangen wir mit der Formatierung an. Selbst wenn es seltsam klingt, versucht immer in einem Layout zu texten. Ich hatte zuerst alles nur in einem Textblock geschrieben. Das ging zwar flüssig von der Hand, war im Nachhinein aber eine schlechte Entscheidung gewesen. Ich hatte mich dann für zwei Spalten pro Seite entschieden. Dadurch verrutschte mir manche Seiten. Später waren die Kapitel schon so dick, dass ich mehr Buntsteg brauchte und wieder durfte ich alles korrigieren. Dann kamen noch die Bilder einzeln angedröpelt und ich konnte ich gleich nochmal von vorne beginnen. Bei späteren Kapiteln habe ich dann so gearbeitet, dass ich extra mehr Platz für die Ränder gelassen, Platzhalter für Bilder eingefügt und Freiraum für spätere Ergänzungen offengelassen habe. Das hat es mir erspart Texte zu kürzen oder neue zu erschaffen, um Lücken zu schließen. Ich kann daher nur empfehlen, von Anfang an eine Formatierung zu wählen und gleich für alles, was noch Raum einnehmen könnte, euch entsprechende Leerstellen zu lassen. Das reduziert das spätere Layouten spürbar.
Das Formulieren selbst ist auch wichtig. Je nach Zielgruppe sind ausschweifende, humorvolle oder präzise Umschreibungen bedeutsam.  Nehmt euch gerade bei den Regeln die Formel zu Herzen: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Denn jede Hürde, jedes Blättern im Buch, jede Verzögerung nimmt euren Spiel Attraktivität. Mir hatte mal ein Rollenspieler gesagt, dass die Regeln dann schlank genug sind, wenn ihr grundlegender Mechanismus in 10 Sätzen verständlich erklärt werden kann. Ich habe diese Methode nie ausprobiert, aber ich halte den Gedanken dahinter für richtig. Während ihr Regeln erschafft und schreibt, testet sie am besten gleich danach im Eigenversuch und noch besser in der eigenen Runde. Testen ist das A und O bei Regeln. Nichts ist schlimmer, als wenn ihr einen Kernmechanismus eingebaut habt, der mit vielen anderen verzahnt ist, und der sich im späteren Beta-Test als anstrengend herausstellt. Vertraut nicht darauf, dass es in eurem Kopf funktioniert, es muss in der Spielrunde funktionieren.

 

Social Media, Illustratoren und Verlage – Wie anschreiben?

Ich biete mich gerne für Konsultationen an, aber ich bin, wie gesagt, selbst noch bei meinem Erstlingswerk, auch wenn ich gerne Erfahrungen austausche. Ansonsten kann ich die sozialen Medien empfehlen. Auf Facebook gibt es direkt eine Gruppe für Rollenspielentwickler. Die Mitglieder sind sehr freundlich und haben mir schon oft gut geholfen. Auf Google+ gibt es auch eine ähnliche Gruppe, aber da war, meiner Meinung nach, der Ton deutlich rauer. So eine unschöne Erfahrung mache ich auch öfters in Foren. Klar, fragen kostet nichts, aber die positivsten Resultate hatte ich dabei bei genannter Facebook-Gruppe.
Es gibt darin auch Leute, die sich für die Hilfe von Erstentwicklern gegen Entgelt einsetzen. Annika Lewin gehört dazu. Ich hatte die Situation gehabt, in meiner Entwicklung festgefahren zu sein und sie hatte mir ein paar Tipps und vor allem Kontakte gegeben, die mir sehr weitergeholfen haben. Wenn ihr ein konkretes Problem habt, wie der Kontakt zu Verlagen und Illustratoren, der Aufbau einer eigenen Website oder Messeauftritte für euer Projekt und dann noch das Geld (ca. 150 Euro aufwärts) übrighabt, dann solltet ihr mal bei ihr anfragen. Ihr könnt euch, wenn ihr mehr über ihre Leistungen erfahren wollt, euch auf ihrer Seite (http://rsp-entwicklerfee.de/) selbst mal ein Überblick über ihr Angebot machen. Mir hatte es damals geholfen.
Mein größtes Problem in der Entwicklung waren und sind Bilder. Ich kann geradeso mit Paint ein Viereck zeichnen und da hört meine künstlerische Fertigkeit schon auf. Ich hatte in entsprechenden Foren und Facebookgruppen dann Inserate eingestellt. Das hatte allerdings eher mäßigen Erfolg. Deutlich effektiver, wenn auch zeitaufwendiger, war es, eine Künstlergruppe in den Social Media oder auch auf der Seite devianart zu suchen und die Personen direkt anzuschreiben. Da habe ich in 66% der Fälle eine Antwort bekommen. Wenn ihr mit den Künstlern verhandelt, passt auf, wie professionell sie sind. Junge, unbekannte Künstler bieten euch teilweise schon ein Bild für 20 Euro an. Wenn die Qualität stimmt, denkt man sich: Super, zuschlagen! Aber Vorsicht hierbei. Bereitet am besten einen Vertrag vor, indem eine zeitliche Deadline für die Fertigung und Bezahlung genannt wird und lasst es euch dann mit einer Rechnung quittieren. Ich hatte unzählige Male erleben müssen, wie, selbst nachdem alles ausgehandelt war, ich von der entsprechenden Person nichts mehr gehört habe und sie mir auch nach mehrmaligen Anschreiben nicht mehr geantwortet hat. Sicherlich wäre es auch für ein einheitliches Design besser, so wenig Künstler wie möglich anzuheuern. Aber da bewegen wir uns zwischen 5000-10000 Euro pro Künstler und noch mehr. Das ist für mich, als Ottonormalbürger, nicht finanzierbar.
Sobald alle Texte fertig sind, lasst unbedingt jemanden lektorieren. Das muss niemand sein, der das professionell macht. Aber es sollte zwingend jemand anderes, als ihr selbst, über die Texte schauen. Ich hatte das Glück gleich mehrere Personen in meinen Bekanntenkreis zu haben, die gut in Deutsch sind. Für 10 Euro haben die gleichmal 100 Seiten lektoriert. In den Rollenspielgruppen habe ich überdies auch Personen kennengelernt, die unentgeltlich über meine Texte gelesen haben, einfach, weil es sie interessiert hat. Kurz: man kann dahingehend durchaus auch für den kleinen Euro einige Interessenten finden kann.
Wenn euer Projekt soweit ist, dass ihr eine vorzeigbare Qualität besitzt, dann könnt ihr Verlage anschreiben. Meistens arbeiten da junge, sympathische Menschen, die Bücher lieben, also keine Angst. Ich selbst habe die Verlage: Prmetheus Games, Mantikor, Redaktion Phantastik, Ulisseus, Pegassus und den Uhrwerk Verlag angeschrieben. Es gibt sicherlich noch mehr, aber das sind, meiner Meinung nach, die bekanntesten für Rollenspiele. Das Anschreiben bestand aber noch nicht aus einer Datei. Ich habe mich und das Setting meines Buches mit 3 Worten vorgestellt (also Rollenspielbuch im Sci-Fi-Setting) und gefragt, ob ich denn mal ein Manuskript hinschicken darf. Wenn die gerade planerisch nichts in der Richtung brauchen, sagen die einen das schon und man weiß direkt, warum es ihnen nicht passt. Wenn sie dann das Manuskript lesen wollen, schickt ihnen einfach, was ihr habt. Wenn ihr wegen geistigen Diebstahl besorgt seid, könnt ihr auch nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Bereiche, wie Regeln und Geschichte, hinschicken. Aber es gibt auch da ein paar kleine Sicherheiten, die man einbauen kann. Ein polnischer Verleger hat mir dazu mal empfohlen, einfach nicht sichtbare Sonderzeichen in den Text einzubauen. Also ihr notiert euch irgendwo auf welcher Seite und in welcher Zeile ihr das Sonderzeichen setzt (es sollte nicht leicht über Strg+F auffindbar sein) und macht den Einzug dann so weit, dass es außerhalb des sichtbaren Bereiches ist. In einer juristischen Auseinandersetzung könnt ihr so aktiv nach dem Sonderzeichen fragen. Es wird mit großer Sicherheit nicht von der Gegenseite gefunden wurden sein, auch weil sowas eher selten erwartet wird. Damit könnt ihr beweisen, dass ihr der eigentliche Eigentümer seid.
So, ich hoffe, ich konnte euch hiermit ein wenig weiterhelfen. Wenn ihr Fragen oder Kommentare habt, freue ich mich, euch darauf antworten zu können.

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