Rollenspielexperiment: Mulit-Meister-Krieg

Wir alle kennen klassisches Rollenspiel. Jeder von uns hat relative klar Vorstellungen, wie eine Runde ablaufen sollte, damit sie funktioniert und Spaß macht. Aber es geht auch anders. Ich für meinen Teil experimentiere gerne mit verschiedenen, unkonventionellen Ideen und höre mir gerne Geschichten anderer, kreativen Runden an. So veranstalte ich von Zeit zu Zeit Rollenspielexperimente und gestern ging mein bisher größtes davon zu Ende. Einfach, weil ich die Ergebnisse interessant finde und sie gerne mit euch diskutieren möchte, will ich euch davon berichten.

 

Aufbau

Wir haben mit 12 Spielern Only War, ein Soldatenrollenspiel im grimmigen Warhammer 40.000, gespielt. Es gab eine große Karte mit einem Missionsziel, einen Staudamm zu erobern, und 3 Einsatzgruppen. Die Gruppen bestanden aus einem Meister und je 3 Spielern. Das war die Infanterie-Kompanie, die mechanisierte Truppe und die Elitestreitkräfte der Luftwaffe. Der Clou daran: jede Gruppe spielt in einem separaten Raum. Die Meister sind per Skype untereinander verbunden und geben sich die Ereignisse weiter, aber die Spieler haben nur ihre Funker. Wenn die Gruppen untereinander sprechen wollen, verlassen die Funker, und nur die Funker, die Räume und treffen sich im Flur, um sich auszutauschen. Ein Beispiel:
Relativ am Anfang der Mission betritt Blut, die Infanteriekompanie, ein Dorf und entdeckt dort Orks, die Plündergut auf ihre Fahrzeuge laden. Sie machen Meldung und gehen in die Gebäude, um einen Hinterhalt vorzubereiten. Der erste Schuss bricht, die Orks suchen den Kampf, aber die Fahrzeuge wollen ihren Schrott in Sicherheit bringen. Vergeltung, die Luftwaffengruppe, übernimmt die Luftaufklärung, und meldet Eisen, der Fahrzeuggruppe, den Fluchtweg des Konvois. Die sind zwar zu weit entfernt, um ihn abzufangen, positionieren sich aber an einer zentralen Brücke. Als die Grotzfahrer die überlegene Streitkraft bemerken, halten sie an, um umzukehren. Der ideale Zeitpunkt für einen Luftschlag. Die Überlebenden des Konvois wurden dann bei einer Brücke ausgelöscht, die Vergeltung in weiser Vorrausicht vorher vermint hatte.
Die Gruppen waren dabei voneinander abhängig. Als die Panzer hintereinander einen Gebirgspass hochrollten, waren sie leichte Ziele für feindliche Panzaknackas und Geschütze. Hätte Blut die Stellung nicht vorher ausgekundschaftet und Vergeltung sie infiltriert, um die Gefahr dann von hinten auszuschalten, wäre Eisen dort aufgerieben wurden.
Synchronisiert wurde das Spiel der drei Gruppen immer wieder durch Zeitmarken. Die Spielleitung hat eingeschätzt, wie lange der Weg von A nach B oder die Handlung gedauert hat. Daraus hat sich eine Uhrzeit ergeben, die sie den anderen Spielleitungen mitgeteilt hat. Nach jeder vollen Stunde wurde gewartet, dass die anderen Gruppen die entsprechende Zeit erreicht hatten. Dann haben sich die Meister getroffen und sich über das Vorankommen, die Ereignisse und Feinde beraten.
Um Leerlauf und Pausen für die Spieler zu vermeiden, gab es pro Gruppe noch eine Unter-Spielleitung, die diese kleinen Treffen nutzten, um den Soldatenalltag auszuspielen. Es gab auch die Hausaufgabe für jeden Spieler, sich 1-3 Szenen für seinen Charakter auszudenken, sodass jede Gruppe die Lücken gut mit atmosphärischen Rollenspiel füllen konnte.
Die Bewegungen auf der strategischen Karte waren in erster Linie für die Zeitmarken und die Positionierung zu verbündeten und aufgeklärten Feindkräften relevant. Jede Spielleitung hatte einen Drittel der Karte zur eigenen Ausgestaltung bekommen und sie mit zahlreichen Hot-Spots, also Punkten für kleine Geschichten, besondere Situationen oder strategische Entscheidungen, gefüllt. Dadurch spielten die verschiedenen Kampfgruppen auch eher in den 3 Bereichen der jeweiligen Meister. Um genau so etwas zu verhindern, hatten wir in der Vorbereitung Schlüsselpositionen eingebaut, die nur durch mindestens 2 Kampfgruppen gemeinsam gelöst werden können.
Für jeden Hot Spot gab es Missionspunkte. Die konnten für taktische Vorteile, wie Artillerieangriffe oder Verstärkungen eingesetzt oder mit ihnen konnten Missionsziele gekauft werden. Vergeltung hatte zum Beispiel eine Reihe von Flugabwehrkanonen sabotiert. Mit den Missionspunkten haben sie sich einen Trupp Luftlandekavallerie gekauft, um eine Radarstellung zu erobern. Bei einer ausreichend großen Anzahl von Missionspunkten, wären die Orks so geschwächt gewesen, dass die NSC-Truppen den Staudamm alleine hätten einnehmen können. Es war also nicht notwendig, dass alle zum Staudamm reisen. Die Mission hätte theoretisch auch durch eine Zermürbungs- oder Guerillataktik gewonnen werden können.  Über Missionspunkte und den aktuellen Verlauf der Schlacht standen den Gruppen auch bestellbare Ausrüstungsressourcen zur Verfügung. Das galt einmal, um die eigenen Truppen ausfzufüllen, sowie für die Bestellung neuer Waffen.
Bei gemeinsamen Kämpfen der Gruppen wurde eine Kampfspielleitung, nämlich die mit der besten Regelkenntnis und den besten Überblick, bestimmt und alle anderen Spielleitungen haben die Feindgruppen übernommen. Die Unter-Spielleitungen waren für die Würfe und die Spielfigurensetzung der eigenen Leute verantwortlich. Gespielt wurde dann zusammen an einer gemeinsamen Kampfkarte, wobei gerade für die Infiltratoren der Luftwaffe immer wieder Nebenkarten eröffnet wurden. Wichtig war es dabei schlicht, dass sie trotzdem nach demselben Rundenprinzip handeln, wie alle anderen Kampfteilnehmer.
Der Tod war einigermaßen verkraftbar gestaltet. Only War bringt von sich aus die Kameradenregel mit. Darin kann jeder Charakter eine unterschiedlich große Anzahl von Kameraden besitzen, die statt dem Charakter sterben. Sind die aufgebraucht und ist doch ein Spieler gestorben, dann hat er sofort einen Charakterbogen eines regulären Liniensoldaten bekommen. Das heißt, er hat keine besonderen Fähigkeiten oder Waffen mehr, kann aber weiter mitmachen. In diesem Zustand wiederum, kann er mit Missionspunkten sich seine alte Klasse aber wieder zurückkaufen. Der Tod hat also im Prinzip nur Ressourcen gekostet.

 

Ergebnisse

Gespielt wurden 8 Stunden und jeder war danach ziemlich fertig. Es wurden ungefähr 70% der Mission absolviert. Solange sich die Gruppen in den jeweiligen, vorbereiteten Bereichen aufgehalten haben, lief alles wie bei einem gewöhnlichen Abenteuer ab. Es gab zwar immer wieder kleine Überschneidungen, Eisen hat zum Beispiel ein Tanklager mit einem Fehlschluss zerstört, anstatt es zu erobern und die Rauchsäule war meilenweit zu sehen, aber erstmal blieben die Gruppen unter sich. Das gemeinsame Spiel fand vorrangig in dieser Phase über die Funker statt. Über diese wurden Aufklärungsinformationen geteilt und die Spieler-Offiziere planten ihre nächsten Schritte. Das lief in keiner Weise reibungslos ab. Ein Spieler nahm seine Pflichten da nicht so ernst und hat ständig Falschmeldungen gemacht. Dadurch hat sich eine Gruppe eine Stunde lang vor Phantomarmeen versteckt oder ist falschen Fährten gefolgt.
Der unterschiedliche Mobilisierungsgrad war schwerwiegend für die Kooperation auf dem Schlachtfeld. Blut kam den anderen beiden Kampfgruppen einfach nicht hinterher. Interessanterweise waren sie aber diejenigen, die den meisten Einfluss auf das Schlachtfeld hatten. Durch ihre hohe Anzahl an Nicht-Spielercharakteren konnten sie Stellungen, Dörfer und Einrichtungen halten. Sie konnten sogar einen Abnutzungsangriff auf eine feindliche Basis starten, während Vergeltung die Mauern von einer anderen Seite erklommen hat. Blut hatte am Ende die meisten Verluste und wurde mehrfach fast komplett aufgerieben. Für die Spieler war es schmutzige, harte Arbeit sich einen Vorteil zu erringen. Aber die Feldszenen waren sehr gelungen und die Immersion ein einfacher Soldat zu sein war auch groß.
Eisen fühlte sich unverwundbar. Sie haben den Feind schlicht überrollt. Jeder Spieler hatte hier eine Fahrzeugbesatzung übernommen. Wirkliche Probleme bekamen sie erst, als sie nicht mehr wussten, wo die nächsten Feinde waren oder die Straßen verlassen hatten. Die Spieler nahmen die Mission als Metzelabenteuer wahr.
Vergeltung hatte die meiste Action. Sie sind ständig hinter den feindlichen Linien abgesetzt wurden, haben einen Präzisionsschlag gelandet und sind wieder abgeholt wurden. Sie konnten kaum etwas gegen Horden ausrichten, aber sie waren das bekannte Zünglein an der Waage. Da der Trupp nur aus Gardisten und einen Kommissar bestand, fühlten sie sich auch wirklich wie die Elite. Ihrem Gefühl nach, haben sie die ganze Arbeit gemacht und den Sieg der anderen Kampfgruppen erst ermöglicht. Es war für sie ein permanentes Kampfabenteuer ohne Atempause.
Von allen drei Gruppen kam überwiegend Lob. Es hatte Spaß gemacht, auch weil es mal etwas ganz anderes war, aber es wurden auch verschiedene Probleme genannt.

 

Probleme

Die erste Herausforderung ist für die Spieler unsichtbar. Das ist der recht große Arbeitsaufwand für die Spielleitungen. Wir haben uns einen Monat auf das Abenteuer vorbereitet und uns jede Woche 1-2 getroffen. Dabei ging es darum, welche Spielmechanismen eingebaut werden, welche globalen Ereignisse auftreten und wie man das Geschehen am besten Koordinieren kann. Eine einzelne Spielleitung hat dann alle Karten gezeichnet, die andere alle Werte für Feinde übersichtlich abgedruckt und die letzte hat sich der Ausrüstung angenommen.
Während der Mission lief die Zeitübereinstimmung, die Pausen und die Geschichten der Unter-Spielleitungen perfekt ab. Was nicht perfekt lief, war der unterschiedlich hohe Zeitbedarf für Szenen der einzelnen Meister. Einer von ihnen schwadronierte sehr gerne. Eine Kampfrunde ging da bei ihm schon mal 10 Minuten, weil er noch alles andere drum herum erklären wollte. Dadurch gab es dann entweder längere Wartezeiten für die Pausen oder es wurden Inhalte verkürzt.
Ich muss auch sagen, an der Auswahl der Meister hing das meiste. Gerade in der Anfangsphase, wo sich das Spiel noch am ehesten wie ein normales Abenteuer anfühlt, stören Regelunsicherheiten, Vergesslichkeit oder Nachlässigkeiten am meisten, weil sie eben auch den globalen Zeitplan und damit alle anderen Spielgruppen betreffen. Bei 12 Spielern Minimum kann man sich leider nicht sein optimales Team immer aussuchen, zumal die Unter-Spielleitungen auch gut ausgewählt sein müssen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, wenn die 3 Spielleitungen nicht felsenfest bei der Sache sind und das ernst nehmen, wäre so ein Projekt zum Scheitern verurteilt. Das gilt genauso für die Zuverlässigkeit der Spieler. Am Anfang hätten wir das Experiment fast verschieben müssen, weil sehr viele Spiele gar nicht kamen oder spontan abgesagt haben.
Ich würde daher als Fazit sagen, von dem Arbeitsaufwand sind solche größeren Projekte definitiv umsetzbar und ein echtes Erlebnis. Aber man benötigt unbedingt dazu Leute, auf die man sich verlassen kann.
Alles klar, soweit von mir von meinem Projekt. Ich hoffe, ich konnte euch mal einen Einblick den Aufwand und die Mechaniken eines Multi-Meister-Rollenspiels geben. Hattet ihr auch mal an einem solchen Projekt teilgenommen oder es sogar organisiert? Ich finde diese Rollenspiel-Experimente immer sehr spannend und würde mich freuen, wenn ich in den Kommentaren noch von dem einen oder anderen lesen könnte ^^

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