(Kurze) Frage: Das Regelwerk – Bilder- oder Sachbuch?

Ich weiß, es ist ungewöhnlich, dass ich direkt hintereinander einen Beitrag poste. Allerdings habe ich gerade von verschiedenen Verlagen Feedback für mein Rollenspielbuch bekommen und da brennt mir, sozusagen, das Thema gerade unter den Fingernägeln.
Kurz zusammengefasst: inhaltlich Bombe aber von den Bildern her unverkaufbar. Damals wäre das wohl noch gegangen, aber mittlerweile sind die Ansprüche an Bildern so weit gestiegen, dass das Buch keine Chance hätte. Das stellt mich, als Autor, vor ein großes Problem. Ich bin nur eine Privatperson, mit einem gewöhnlichen Einkommen. Für meine Verhältnisse habe ich bereits alles mir Mögliche in das Buch investiert, aber dennoch reicht es nicht aus. Besonders frustrierend ist, dass scheinbar mein Anteil der Arbeit, nämlich der eigentliche, inhaltliche Kern, von guter Qualität ist. Aber weil ich einfach nicht das Geld oder die Kontakte für entsprechende Künstler habe, werde ich, um mal einen darwinistischen Begriff zu benutzen, ausgelesen. Im Grunde hätte man auch sagen können, aufgrund meines geringen Einkommens hatte ich von Anfang keine Chance und hätte mir die ganze Arbeit gleich sparen können. Das hat nichts mit Leistung, mit Leidenschaft oder mit investierter Zeit zu tun, sondern schlicht nur mit Investitionskapital.
Das führt mich zu einer tieferliegenden Frage: was wollen wir Spieler eigentlich von den Büchern, die wir uns kaufen? Ich will mal als Beispiel das Deathwatch-Regelwerk nehmen. Wie viele GW-Produkte ist die Bebilderung von sehr hoher Qualität. Das macht einfach schon Spaß durchzublättern, ohne es zu lesen. Allerdings ist das Buch unübersichtlich, das System unausbalanciert und es gibt große Teile des Inhalts, die schlicht Fülltexte sind. Ist das die Zukunft des Rollenspielregelwerkes? Man möge mir den Vergleich verzeihen, aber gibt es in der Szene eine Verschiebung hin zum inhaltsseichten Call-of-Duty-Blendwerk?
Ich verstehe, dass Bilder in einem Rollenspielbuch wichtig sind. Sie unterstützen die Imagination, machen die Welt greifbarer. Aber sie sollten nicht das bestimmende Element sein. Immerhin ist das kein Comic, sondern ein Grundregelwerk. Ich will in dieser Welt spielen und dazu benötige ich Texte sowie Regeln. Ich kann mich dahingehend noch an die Worte eines Meisters erinnern, der nach eigener Aussage schon über 36 Systeme bei sich stehen hat. Er hat ein Rollenspielregelwerk getestet und meinte, dass das Spiel richtig viel Spaß machte. Aber aufgrund der mangelnden Illustrationen hat es das Buch nicht verdient in seinem Regal zu stehen und deswegen wird er es nicht nochmal anfassen.
Ich finde diese Einstellung höchst beunruhigend. Denn, wie gesagt, ich also No-Name, No-Income-Indie-Autor habe kaum eine Chance auf eine gute Illustration. Und ich denke, dass es da vielen anderen Autoren ähnlich geht. Ich finde es geradezu tragisch, dass es zwar eine Menge junger, talentierter Autoren da draußen gibt, sie aber eventuell durch die mangelnden Geldmittel ihre Ideen niemals veröffentlichen können. Liegt der Fehler da nicht bei uns Konsumenten, die immer mehr, zu immer kleineren Geld verlangen, ohne die Arbeit und Leidenschaft hinter einen Rollenspielwerk noch groß wertzuschätzen? Verdammen wir als Käufer nicht vielleicht sogar den gesamten Indie-Bereich des Rollenspiels, weil wir uns nicht mehr auf weniger glänzende Produkte einlassen wollen?
Was ist eure Meinung dazu? Ich bin auf eure Antworten gespannt.

16 Gedanken zu „(Kurze) Frage: Das Regelwerk – Bilder- oder Sachbuch?

  1. John Doe

    Hi,
    wichtige Gedanken, die du da äußerst. Meine persönliche Meinung ist, dass da jeder mal seine Erwartungshaltung überprüfen sollte. Nehmen wir bspw. „The One Ring“. Das gehört zu dem wichtigsten Linien des recht großen Rollenspielverlags Cubicle 7 und es beruht auf einer Premiumlizenz, nämlich Mittelerde. Da habe ich natürlich eine große Erwartungshaltung, auch an die Optik, und es ist glaube ich auch nicht unangemessen, wenn sich jemand anschickt einen derart populären Hintergrund als Rollenspiel herauszubringen (und zum Glück wurden in diesem Fall die Erwartungen auch erfüllt).
    Wenn ich andererseits Produkte kaufe, die mit keinem großen Namen zusammenhängen, dann sollte man an die optische (und haptische) Ausstattung keine großen Ansprüche stellen. Solche hatte ich nicht, als mir „Dogs in the Vineyard“ und „Darkly through the Labyrinth“ gekauft habe, ja, nicht einmal beim Grundregelwerk für „Savage Worlds“. Kleine Indie-Spiele brauchen keine große Ausstattung, meiner Meinung nach. Und den Meister, den du paraphrasierst, kann ich so gar nicht verstehen. Seine Meinung ist sehr merkwürdig oberflächlich.
    Auf der anderen Seite sind ein paar optische Auflockerungen in einem Rollenspielbuch schon außerordentlich hilfreich. Denn nur auf Text zu starren ist ermüdend und raubt einem eventuell schon frühzeitig die Freude am Spiel.
    Leider ist es mit einem Rollenspielbuch in Deutschland bestimmt besonders schwierig, da der Markt nicht so groß ist. Ich kenne mich nicht wirklich aus, aber die meisten Verlage haben wahrscheinlich kein Geld um Illustrationen für ein völlig neues Spiel zu finanzieren und sind gleichzeitig nicht Indie genug, um es so in ihr Programm aufzunehmen. Was natürlich schade für dich ist.
    Vielleicht ist ja Self-Publishing ja etwas für dich. Eine Kleinstauflage drucken zu lassen ist gar nicht so teuer, wenn du es überhaupt drucken willst, aber dieser Weg ist natürlich auch aufwendig, weil dann alles an dir selbst hängt.
    Aber vielleicht findest du ja tatsächlich irgendwo jemanden, der/die bereit ist, gegen eine mögliche Beteiligung ein paar Illustrationen beizusteuern. Ein/e professionelle/r ZeichnerIn wird das nicht sein, aber möglicherweise gibt es ja begabte Amateure da draußen, die von der Idee und der Aussicht, dass etwas von ihnen in Druck geht, angetan sind.

    Schöne Grüße
    John Doe

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  2. Athair

    Artwork generiert Aufmerksamkeit. Das ist einfach so. Die Frage ist bloß: Welche Art von Aufmerksamkeit?
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    Oder: Werden die vielgekauften Bilderbücher auch tatsächlich gespielt?
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    Ich schau mir mal die Rollenspiele an, die ich zuletzt gelesen und gekauft habe:
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    Symbaroum (Mägelexemplar zum 1/2 Preis): Nicht mal wirklich durchgeblättert. Hab ich eigentlich nur erworben, weil Paul Baldowski, der das tolle „the Cthulhu Hack“ gemacht hat, Fan davon ist.
    Artwork: Mehr als „State of the Art“. Könnte auch ein Artbook für ein Video-Spiel sein (vgl. Assassin’s Creed: The Complete Visual History)
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    Maelstrom Gothic: Hab ich noch nicht so lange, aber schon gespielt.
    Artwork: S/W, Viktorianische Bilder mit abgelaufenem Copyright und Zeichungen, die irgendwo zwischen Coloring Book und Graphic Novel für Kinder anzusiedeln sind.
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    Mythras Taschenbuchausgabe: Einiges gelesen. Zum Spielen mir momentan zu aufwändig. Die Regeln gefallen mir aber.
    Artwork: Cover-Artwork: Irgendwo zwischen eigentümlich und state of art. Innen: eher wenige S/W-Illus, die sehr elegant wirken. Teilweise eher Strich/Rißzeichnungen. Erinnern z.T. an die glorreichen Zeiten von Chaosium, White Wolf und Columbia Games (Hârnmaster) sowie an solide OSR-Sachen.
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    In anderen Worten: Ich bin großer Fan von eigentümlichen und gut genutzen Illustrationen.
    Gute Beispiele: Beyond the Wall … und andere Abenteuer, Dungeon World (beide von System Matters);
    Urban Shadows (ein pbtA-Spiel); Hârnmaster; Dark Streets 2nd; Zweihänder; … die Illus von Zak S. und Scrap Princess (u.a. bei LotFP-Supplements); Crypts & Things; The Laundry; Lone Wolf Multiplayer Gamebook; …
    Allen gemeinsam: Das sind tendenziell S/W-Sachen. Die Billig-Bilderbücher von Pegasus (7te See und Shadowrun 5) sind mir zu „teuer“. Bloß buntes Eye-Candy ist mir zu wenig.
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    Soll heißen: Ich finde, dass es – gerade für eher Indie-Regelwerke – kein großes Artwork-Budget braucht. Farbe sowieso nicht. Dafür ist die „Art Direction“ umso wichtiger. Sieht man ganz gut bei den Sachen von System Matters. Die Unterstreichung der Eigentümlichkeit ist – wenn man im Mainstream nicht mitspielen kann, darf oder will – unglaublich wichtig. Auf die Qualität der Illus kommt es da schon an. Aber nicht auf ihre Vielzahl (vgl. Mythras von der RuneQuest Gesellschaft e.V.).

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  3. Shadom

    1. Schöne Bilder helfen bei der Kaufentscheidung. Ein Buch durchblättern und es sieht gut aus (oder einzelne Bilde rin der Artikelbeschreibung online) regen zum kaufen an.
    2. Passende Bilder helfen bei der Vorstellung vom Setting und Genre.
    3. Der Text ist das am Ende wichtige. Ohne Guten Text ist das Buch im bestfall schöner Müll, der mich ausgetrickst hat. Ohne gute Bilder ist es ein solides Rollenspiel (das ich aber vermutlich gar nicht gekauft hätte).

    Als Handlungsidee für dich:
    Gib einmal Geld aus für eine gute große und eine kleine Illustration. Nutz deinen Blog und was du sonst an „Networking“ Möglichkeiten hast um ein paar Monate Werbung zu machen. Dann mach einen Kickstarter. Die zwei Bilder reichen als Blickfang (vermutlich) aus und wenn du ein gutes Produkt hast, dass solltest du genug Geld bekommen, um die restlichen Illus zu bezahlen.
    Ist natürlich Arbeit, aber das ist momentan der realistischere Weg als über einen Verlag.

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  4. Andreas (RPGnosis)

    Schwierige Sache. Bin in einer ähnlichen Lage und kenne das Problem. Professionelle Illustrationen sind für einen einzelnen Autor nicht zu zahlen; Kickstarter o.ä. wäre das Medium der Wahl, aber auch dann müsste man im Prinzip die Illus schon in der Tasche (und damit wieder vorfinanziert) haben.
    Ich fürchte, wir müssen uns davon verabschieden, dass Rollenspiel für den einzelnen Autoren jemals etwas sein kann, dass sich auch nur selbst trägt. Man müsste gezielt eine Lücke bei einem Verlag finden, in den das eigene System zufällig reinpasst (und der entsprechend Geld und Vertrauen übrig haben, um es zu probieren), aber das scheint mir eher unwahrscheinlich.
    Letztlich läuft es darauf hinaus, dass jeder, der ein Rollenspiel schreibt, das aus Liebe und Altruismus tut, und damit die Community beschenkt. Zumindest, wenn man *sein eigenes* System machen will und nicht auf irgendeinen Hipster-Zug aufspringen. Publiziert man auf Englisch, mag es anders aussehen, aber auch da ist, denke ich, nicht mehr viel Nische frei.

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  5. Ariatros Artikelautor

    Alles klar, erstmal vielen Dank für die verschiedenen Antworten.
    Bevor ich es vergesse, hier erstmal meine Quelle zu den 100.000 Rollenspielern in Deutschland: http://www.traumthal.de/2014/03/26/hinter-den-kulissen-umsaetze-im-rollenspiel/
    Ich kann den Blog und die Reihe speziell für Autoren nur empfehlen.

    Ich habe parallel noch mit einigen Verlagen nebenher geschrieben (System-Matters, Redaktion Phantastik, Drachenland Redaktion), die alle ausführlich und schnell auf meine Fragen eingegangen sind. Ich will an dieser Stelle erwähnen, wie vorbildlich ich dieses Verhalten finde, sich die Zeit zu nehmen so offen und viel zu den Fragen eines einzelnen, unbekannten Autors zu schreiben.
    Was in den Gesprächen rauskam, lässt sich so zusammenfassen:

    Der Rollenspielmarkt ist stark geschrumpft. Ein Verlag, der wirtschaftlich arbeiten muss, versucht Risiken soweit wie möglich zu minimieren. Das heißt, da ist nahezu kein Platz für Experimente und schon gar nicht, wenn der Verlag noch zusätzlich in Bilder oder bei zu vielen Seiten in den Druck investieren muss. Kein Verlag wartet auf ein Rollenspiel. Es ist viel sicherer, sich in ein gemachtes Bett zu legen, also bereits etablierte Produkte weiter auszubauen, als etwas Neues zu riskieren. Für einen Autor ist es daher sehr unwahrscheinlich bei einem Verlag unterzukommen.
    Die Alternativen sind entweder, wie hier schon genannt wurde, Kickstarter (mit all den Risiken) oder als Einzelkämpfer alles selbst zu organisieren, selbst zu den Läden und auf Messen zu gehen und derweil eine Onlinepräsenz aufbauen, über die dann später auch verkauft wird.
    Dazu fiel mir noch die Geschichte vom Autor von Seelenfänger ein. Der hatte sein Werk zuerst kostenfrei angeboten, dadurch sind andere Autoren aufmerksam geworden, haben mit ihm zusammen gearbeitet, bis das Produkt eine Qualität erreicht hatte, dass ein Verlag darauf aufmerksam wurde. Dann gings für ihn zwar auch in einen Kickstarter, aber er hatte zumindest einen Verlag im Rücken.
    Außerdem gab es auch noch ganz spannende Berechnungen zu Gewinnspannen, Ladenpreisen, verschiedenen Druckanbietern etc. Vielleicht mache ich da mal einen eigenen Beitrag draus.

    Die Reaktionen auf anderen Plattformen waren überdies ähnlich. Ein Bilderbuch ohne inhaltlichen Kern ist kein Rollenspielbuch, allerdings wird es ohne ansprechende Bilder sehr viel seltener gekauft. Die Zahl, die mir Christian Loewenthal (Verleger von Prometheus Games), gab, war 60% weniger. Also ja, man benötigt notwendig ansprechende Bilder, um sein Regelwerk publizieren zu können, wenn man es nicht nur im kleinen Kreis veröffentlichen will. Ich glaube, gerade System-Matters zeigt, dass es keine unheimlich teuren Zeichnungen sein müssen, solange sie einen bestimmten Charme haben. Das heißt, dass sie möglichst einheitlich aus einer Feder stammen und die Atmosphäre der Texte unterstützen.

    Nun, da ich nicht mehr Geld ausgeben kann, als ich ohnehin schon getan habe, wird es dann wohl bei mir wirklich auf einen Kickstarter hinauslaufen. Hat da jemand schon Erfahrungen mit gemacht?

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  6. Athair

    @ Rollenspielmarkt:
    Dazu würde ich glaube ich am ehesten Michael Mingers von Ulisses Spiele und der DORP fragen.
    Der hat als Co-Verlagsleiter und langjähriger Fanworker da sicher einen guten Überblick.

    Noch meine eigene Einschätzung:
    Mir scheint es nicht so, dass der Rollenspielmarkt sich verkleinert hätte. Eher das Gegenteil. Allerdings: Die Zahl der Anbieter hat sich die letzten Jahre – auch durch Print on Demand – stetig erhöht.
    So sind z.B. Eigenübersetzungen wie „Ruh dich nicht aus“ möglich.

    So viele deutschsprachige Eigenentwicklungen im „Selbstverlag“ gab es lange nicht. Ich denke da an Ultima Ratio, NoReturn, Protektor (noch in der Mache), 42!/Idee!, Lite/SpacePirates, Finsterland, Degenesis 2nd, Sarôsta, Magun, Nesciamus, Die vergessenen Chroniken, …
    Natürlich spielt da auch Crowdfunding eine Rolle. Aber eben auch nicht immer.

    Und für den Massenmarkt haben sich Erwartungshaltungen etabliert (Eye-Candy, günstiger Preis – vgl. Shadowrun, Cthulhu 7, Symbaroum, 7te See, Aborea sowie die Taschenbuchausgaben von DSA5, Pathfinder, Splittermond).

    Und warum ich noch glaube, dass der „Schrumpfungs-Mythos“ nicht stimmt:
    Drachenland und Redaktion Phantastik sind kleine Projekte, die es zwar lang gibt, die aber auch nicht viel Aufmerksamkeit generieren. Wenn die heute tendenziell weniger verkaufen wundert mich das gar nicht. Heute schaut „Kleinverlag“ und „Rollenspielprojekt“ anders aus. Prometheus Games ist – im Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Sympathien – gerade auf den konservativen Kanälen (Online-Shops, Spieleläden) momentan auch alles andere als gut aufgestellt.

    Oder: Wenn die Anbieterzahl sich massiv erhöht und die Zahl der Abnehmer nicht gleichermaßen mitwächst, dann steigt zwar das Marktvolumen erheblich, für das einzelne Projekt/Produkt/Spiel bleibt aber trotzdem am Ende weniger. So würde ich die Situation beschreiben.

    PS.: Mein RSP-Bugdet fließt derzeit ca. hälftig zu PoD-Kram. Das teilt sich dann auf auf Verlagsbestellungen [Arion Games, D101 Games], OBS/RPGNow-Drucke, Lulu und z.T. PDF-Drucke über PoD-Dienste wie epubli. Deutschsprachige Sachen kauf ich v.a. Indies (42!/Idee, Lite, …) und Kram von System Matters und der RuneQuest Gesellschaft. Und das letzte Viertel sind englischsprachige Verlagsproduktionen [v.a. LotFP, Cubicle7, Goodman Games, Just Crunch Games].
    … und auch bemerkenswert: Ungefähr die Hälfte der Sachen sind britische. Crowdfundig mach ist so gut wie gar nicht.

    Mein Beispiel soll vor allem eines unterstreichen: Der Rollenspielmarkt ist so divers und fraktioniert wie nie zuvor. Zahlen zum Hobbymarkt für den US-Bereich: https://icv2.com/articles/news/view/38012/hobby-games-market-over-1-4-billion

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    1. Ariatros Artikelautor

      Vielen dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ich habe auf jeden Fall zusammengefasst, paraphrasiert und verkürzt. Deswegen habe ich zur Klärung mal das Zitat mitgebracht, auf das sich meine Paraphrase bezog (ohne Angabe von wem genau, weil ich dazu noch keine Erlaubnis erhalten habe):

      „Auflagen unserer Abenteuer lagen früher bei max. 2000 Exemplaren, heute drucken wir im ersten Anlauf 300. Der Markt ist also sehr geschrumpft, wir engagieren uns aber auch nicht mehr sonderlich. Wir verkaufen heute fast ausschließlich über unsere Internetseite und bekommen da auch alle Bücher los. Somit haben wir natürlich einen deutlich bessere Gewinnspanne als über die Läden.“

      Also hast du schon ganz richtig vermutet, das war eine Einzelperspektive, aus einer individuellen Verlagssitutaion heraus.
      Deine Erklärung mit dem größeren Angebot und den aber verhältnismäßig konstanten Spielerzahlen finde ich nachvollziehbar. Allgemein scheint sich mir dann die Frage zu stellen, ob sich dann nicht immer mehr alles um Aufmerksamkeit dreht? Wenn man mal von einigen Sammlern absieht, kauft man ja nicht Systeme, um sie sich ins Regal zu stellen, sondern um damit zu spielen. Typisch ist es dann, im System zu verweilen. Das heißt, ich habe vielleicht 3 Systeme, die ich hauptsächlich spiele und dann ist mein Bedürfnis nach Rollenspiel auch irgendwo abgedeckt. Vielleicht teste ich auf Conventions noch mal andere Systeme aus, aber das wars im Großen und Ganzen. Wenn diese Annahmen stimmen, muss ein Produkt demnach irgendwie zu diesen 3 Systemen zählen. Das schafft es aber nur, wenn es Aufmerksamkeit erzeugt, empfohlen wird oder sich andersweitig neben den Konkurrenzprodukten durchsetzen kann. Alles andere, so fürchte ich, wird untergehen. Ich würde also bei meiner grundlegenden Befürchtung bleiben: ohne ausreichende Aufmerksamkeit, durch Bilder, PR usw., wird die eigentliche, inhaltliche Arbeit, die Idee, die jeder Autor mit seinem Werk transportieren will, entwertet und damit auch Stück weit in den Hintergrund gedrückt. Deine Markteinschätzung mit relativ gleich gebliebener Aufmerksamkeit, die sich nun auf noch mehr Produkte verteilen muss, bestätigt das ja.
      Diese Annahmen legen dann den Schluss nahe, wenn man mit seinem Buch nicht in der Vergessenheit verschwinden will, ist Werbung, ist Ästhetik, sind scheinbar all die Dinge, auf die der schreibende Autor nur wenig Einfluss besitzt, deutlich entscheidender, als der letztendliche Inhalt.
      Gerade wenn ich mir dann den Markt, mit seinen vielen Produkten, anschaue, wird mir da erst eine Tragik wirklich bewusst: da sitzen so viele, engagierte, fleißige Autoren mit tollen Ideen, die eventuell niemals eine Chance haben werden. Nicht etwa, weil es irgendwie mit der Qualität ihres Werkes zusammenhängt, sondern weil sie es einfach nicht geschafft haben, genug Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

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      1. Andreas (RPGnosis)

        „Wenn man mal von einigen Sammlern absieht, kauft man ja nicht Systeme, um sie sich ins Regal zu stellen, sondern um damit zu spielen.“

        Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall; wie du etwas später schreibst, hat man normalerweise nach kurzer Zeit sein Leib- und Magensystem (oder seine W3). Aber weil der gemeine Nerd ein bibliophiler Sammler ist, werden die meisten neuen Sachen eher nach Optik gekauft – und da hast du den Grund für das von dir genannte Trauerspiel…
        Die ganzen netzaffinen Onlinespieler, die jedes System nur zweimal antesten, bestätigen diese Regel als Ausnahmen, aber ich bezweifle, dass die sich so viele Sachen kaufen.

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        1. Ariatros Artikelautor

          Nun, das sind dann eventuell verschiedene Erfahrungswerte. Unabhängig des Erklärungsansatzes führen sie aber leider beide zu denselben Ergebnis.

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      2. Athair

        Ich würde schon sagen, dass heute die Ressource Aufmerksamkeit eine der zentralsten ist.
        Deswegen nutzen auch viele Verlage, die das geldmäßig nicht tun müssten Crowdfundings.
        So für den Einstieg: https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96konomie_der_Aufmerksamkeit

        Ob das mit den drei Systemen hinkommt, kann ich nicht sagen. Zutreffend finde ich aber, dass sich die Leute auf wenige Sachen beschränken. Auch: Beschränken müssen. Wenn man 20 sehr unterschiedliche Systeme bespielt wird man nie dazu kommen irgendeines zu können und verschwendet viel eigene Energie und Aufmerksamkeit in Regeln, Setting, … Man muss immer wieder neu reinzukommen. Regelsicherheit stellt sich nicht so leicht ein, …

        Bei mir schaut es so aus:
        Auch wenn ich derzeit viel zu wenig zum Spielen komme: Ich hab grundsätzlich ein paar Spiele/Designfamilien, die ich nutze. Was interessant ist und da nicht reinfällt landet bestenfalls in der „Bibliothek“ und steht dann auf der „Zu-Spielen-Wunschliste“, dient als Nachschlage-Werk zur Inspiration und eher „akademischen“ Interessen.

        Meine Spielefamilien sind:
        1) W100 (Maelstrom; RuneQuest und dessen Abkömmlinge wie River of Heaven, Mythras oder Clockwork & Chivalry; Warhammer Fantasy Roleplay; Swordbearer; DragonQuest und Rolemaster). Wobei auch da schon einiges an „Regalware“ dabei ist.

        2) OSR … auch hier wieder in vielfältigen Varianten: The Chulhu Hack hat z.B. Indie-Einflüsse; Blood & Treasure tut auf old school Weise, was D&D5 für den Mainstream tut (verschiedene D&D-Strömungen zur flexiblen Anwendung vereinen); Beyond the Wall … arbeitet mit modernen Techniken und lehrt mehr nen freifomigen Zugang. B/X Essentials will einerseits ein treuer Retro-Klon sein, eine übersichtliche Spielanleitung und ein Baukasten, der „Machs dir selbst“ unterstützt.

        3) Freiform-Kram … v.a. Everway, 42!/Idee! (vielleicht komme ich da mal noch zu Amber/Lords of Gossamer & Shadow und Theatrix – im Regal stehen sie).

        4) Indies … wie Fiasko, Urchin, Montsegur 1244. Das sind v.a. Sachen, die innovative Regeln haben und eher leicht zu erlernen sind. An wenigen Spielabenden kann man da ein Spiel „Druchspielen“. Die Sachen haben oft ein „Endgame“, mit dem eine Geschichte/ein Abenteuer dann auch abgeschlossen ist. Wobei da bei mir auch noch Kram wie Lite, Lighthouse System, Hunters of Alexandria (Fortune System – eine abgespeckte Fate-Variante) oder Abenteuer! dabei sind.

        5) Abenteuererzählspiele … regelleichte „porto-storytelling games“ wie Lone Wolf Adventure Game, Prince Valiant Storytelling Game, Ghostbusters RPG, OneDice, …

        Alles was sich grob außerhalb dessen bewegt, hat bei mir von vorn herein kaum mehr eine Chance. Das betrifft auch Sachen mit starker Marke wie 2d20 (Conan, Star Trek), Genesys (WFRP3, FFG Star Wars), DSA, Shadowrun, Pathfinder.

        Bei anderen werden die Spiele sehr anders aussehen, das dahinterliegende Prinzip eher nicht.
        Bei vielen wird das eher so aussehen: 1) DSA, 2) World of Darkness, 3) Shadowrun, 4) Kreinkram wie My little Pony: Trails of Equestria. Ende.

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      3. Dirk Remmecke

        „Allgemein scheint sich mir dann die Frage zu stellen, ob sich dann nicht immer mehr alles um Aufmerksamkeit dreht? Wenn man mal von einigen Sammlern absieht, kauft man ja nicht Systeme, um sie sich ins Regal zu stellen, sondern um damit zu spielen.“

        Das ist leider ein Fehlschluss. Dieses Hobby zieht ganz unterschiedliche Charaktere aus ganz unterschiedlichen Motivationen an. Spielen ist nur eine davon. Eine andere ist das Theoretisieren und der Austausch in Online Communities, ob es nun Foren, Facebook oder G+ sind. Gerade bei RPGnet kann man immer wieder schön sehen, wie dort zyklisch das jeweilige Spiel der Jahreszeit durchs Dorf getrieben wird; auch auf The Forge und Story-Games gab es dieses Phänomen der Hype-Spiele, die Hype-Neuerungen brachten; und auch auf TheRPGsite, die einen Old-School-Fokus hat, wird der Clone der Stunde rauf- und runtergejubelt. Und dann kommt irgendwann mal ein Beitrag, in dem sehr meinungsstarke Poster in einem Nebensatz sagen, dass sie seit x Jahren keine Runde mehr haben…

        Schon zu Laurin-Zeiten (Anfang der 90er) hatte ich Kunden in meinem Laden, die gar keine Rollenspieler waren, und Cthulhu-Module als reine Lektüre gekauft haben. Zur Jahrtausendwende hatte ich x Stammkunden, die DSA längst hinter sich gelassen hatten, und trotzdem noch DSA-Quellenbücher und Metaplot-Abenteuer kauften, weil sie wissen wollten, wie es in dem Aventurien weiterging, in dem sie schließlich jahrelang zuhause waren. Ja, Leute haben ihre 1w3 Lieblingssysteme, aber diese wandeln sich mit der Zeit auch – zum Glück für Erfinder neuer Systeme, die durchaus ihr Publikum finden können.

        Und wenn die Spieler aus dem aktiven Spielalter herausgewachsen sind, bleiben manche von ihnen dem Hobby trotzdem noch als Kunden erhalten. Doch sie brauchen dann noch einen weiteren Anreiz als „bloß spielbare Regeln“ (die sie ja nicht mehr nutzen können oder wollen, aus welchem Grund auch immer). Viele Spielbücher werden dann allein wegen ihrer „Coffeetable-Book“-Qualitäten gekauft. Deswegen haben Verlage ein Interesse daran, Bücher bildgewaltig zu gestalten. Spätestens seit TSRs Planescape ist der Geist aus der Flasche und die Regelbücher reichhaltig vollfarbig illustriert.

        Für die Textersteller der Bücher ist das bitter, vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Ersteller der optischen Opulenz (Künstler und Layouter) auch noch mehr verdienen als sie…

        Athair ist ein wunderbares Beispiel, dass es auch anders geht. Viele Spiele, die er oben nennt, machen den Zirkus der Opulenz nicht mit, und er hat sie trotzdem gefunden und gekauft (und setzt sie im Spiel ein?). Ich würde sogar sagen, dass die Chance auf eine Verwendung auf dem Spieltisch bei diesen Spielen höher ist als bei den Bildbänden. (Vielleicht nicht absolut, aber im Verhältnis von Käufern zu Nutzern.)

        Die Frage ist also, willst du dich in den Zirkus begeben, um eine hohe Zahl an Büchern zu verkaufen (von denen x Käufer dann spielen) oder die Zahl x an aktiven Spielern zu generieren (die du mit geringeren Verkäufen ohne Bilderflut auch erreichen kannst)?

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      4. Dirk Remmecke

        „Gerade wenn ich mir dann den Markt, mit seinen vielen Produkten, anschaue, wird mir da erst eine Tragik wirklich bewusst: da sitzen so viele, engagierte, fleißige Autoren mit tollen Ideen, die eventuell niemals eine Chance haben werden. Nicht etwa, weil es irgendwie mit der Qualität ihres Werkes zusammenhängt, sondern weil sie es einfach nicht geschafft haben, genug Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.“

        Aber gilt das nicht für alle schöpferisch tätigen Leute? Romanautoren, Musiker, Brettspieldesigner? Erfinder technischer Neuerungen? Es gibt keinen Anspruch auf Erfolg, wenn die Idee nur mit genügend Herzblut erfüllt ist.
        Qualität hat nur bedingt Einfluss auf die Chance auf Erfolg; BetaMax und Video2000 sind dem schwächeren VHS unterlegen gewesen. Siedler von Catan ist von Ravensburger abgelehnt worden. Wie lange ist Harry Potter herumgereicht worden?
        Es sind immer Zufälle und Beziehungen, das Ausnutzen aktueller Marktbedingungen, Marketing- und Vertriebsentscheidungen, die Erfolge begünstigen. Und manchmal gibt es einen „perfect storm“, in dem eine coole Idee zur richtigen Zeit die richtigen Leute erreicht, und ein Produkt „verdient“ erfolgreich ist.

        Ein Autor kann das tollste Werk geschrieben haben – wenn es an die falschen Verlage geschickt wird, deren Redakteure/Lektoren gerade keinen Kopf dafür haben, die Genialität nicht erkennen oder den Markt einfach falsch einschätzen, geht es unter. Und wenn ein Verlag das Werk unter Vertrag nimmt und dann im Markt falsch positioniert, mit falschem Cover oder irreführendem Marketing, schafft es die Idee auch nicht von allein.

        Warum soll es Rollenspielautoren anders ergehen?

        Glücklicherweise gibt es heute Möglichkeiten, Romane und Rollenspiele in Eigenregie zu verlegen, als E-Book, als PoD, als PDF, wenn man das Risiko einer Druckauflage scheut. Dazu ist nicht einmal ein Kickstarter nötig.
        Und es gibt genügend Erfolgsgeschichten, die aus solchen Eigeninitiativen erwachsen sind. Eragon, Fifty Shades of Grey, Wormworld Saga … gerade im Comic-Bereich sieht man häufiger, dass online veröffentlichte Fortsetzungsgeschichten entweder einen Print-Verlag finden, sobald sie eine kritische Masse an Lesern gefunden haben, oder von ihren Zeichnern via Kickstarter selbst als Printprodukt umgesetzt werden.
        Was all diese Erfolgsgeschichten vereint, ist das Engagement ihrer Urheber, die über Monate oder Jahre unermüdlich Content geschaffen und ihre eigene Werbetrommel gerührt haben.
        Im Rollenspielbereich ist FATE so eine Erfolgsgeschichte.
        Oder in der OSR-Sparte Whitehack, das sich bloß selbst in den Fuß geschossen hat, weil der Autor keine PDF-Version anbieten wollte. Das hat dazu geführt, dass andere Leute Black Hack, Macchiato Monsters und weitere Hacks angefertigt haben, die heute teilweise bekannter/verbreiteter als das Original sind. Und die übrigens fast alle kein nennenswertes Artwork haben.

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        1. Ariatros Artikelautor

          Erst einmal vielen Dank für deine zwei ausführlichen Kommentare.
          Wenn du von deinem Laden sprichst und auch so viele Beispiele nennst, nehme ich an, du hast schon viel Erfahrung in der Branche sammeln können? Darf ich fragen, ob du selbst Buchhändler/Rollenspieler/Kickstarter etc. bist?

          Nach den Antworten auf Tanelorn, den Gesprächen mit den Autoren und Verlagen scheint sich deine Beschreibung zu bestätigen. Wenn ich aus all den Meinungen und Recherchen ein vorsichtiges Fazit ziehen würde, ich würde auch sagen, es ist das Engagement. Man muss am Ball bleiben, darf nicht aufgeben und sollte über sein Werk stets informieren und es anderen zugänglich machen. Vielleicht kann man dann die Befürchtung von oben etwas abschwächen, dass ein Autor ohne genügend Geld kaum eine Chance auf eine Leserschaft hat. Ja, gute Bilder erzeugen Aufmerksamkeit, aber sie sind kein Garant für Erfolg. Ebenso wenig, wie du richtig bemerkt hast, ist es Qualität im Allgemeinen. Ein gutes Produkt wird natürlich eher weiterempfohlen, als ein nicht so gutes. Aber du hast mit deinen Beispielen, von Harry Potter bis zu den Siedlern von Catan, schon recht. Es gilt schlicht darum, die Leute zu erreichen – ob nun durch Weiterempfehlungen, Zufällen oder sonst wie. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass man die Qualität seines Buches vernachlässigen sollte und sich ausschließlich auf die Kommunikationsstrategie konzentriert.
          Aber diese Strategie erscheint mir momentan als enorm wichtig. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es heutzutage diese Möglichkeiten mit dem Hochladen des PDFs und Internetgruppen gibt, durch die man das eigene Werke leicht verteilen kann. Aber das kann, wenn man sich zum Beispiel die Erfolgsgeschichte von Seelenfänger ansieht, nur ein kleiner Teil der Strategie sein. Ich habe das Gefühl, dass es nach wie vor unverzichtbar ist, das Buch auf Conventions vorzustellen, Spielrunden anzubieten und sich auch an Multiplikatoren zu wenden. Wenn dem so ist, ist das sehr viel Arbeit und ab einen bestimmten Punkt im Leben (Vollzeitberuf, Familie…) auch nicht mehr möglich. Ich meine, ich bin jetzt soweit gekommen, ich werde das auch bis zum Ende durchziehen. Aber ich hoffe zumindest, dass ich die vielen, wertvollen Informationen über die Herausforderungen dieses Weges einigen kommenden Autoren nutzbar machen kann. Ich habe selbst gemerkt, wie viele Untiefen es gibt, die man unbedingt vorher kennen sollte, bevor man ein derart aufwändiges Projekt beginnt.
          In diesem Sinne will ich mich auch nochmal bei allen Kommentatoren bedanken. Die Diskussion hat, denke ich, alle möglichen Perspektiven und Alternativen abgedeckt. Ich schau mal, ob ich aus den ganzen Informationen ein nützliches Dokument für angehende Autoren bauen kann.

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          1. Dirk Remmecke

            Ich war 12 Jahre lang in diversen Spieleläden hinter dem Tresen (davon 5 als Mitinhaber) – „historischer Kontext“: Debüt von MTG, Siedler von Catan, Games Workshop Boykott, Pleite von Schmidt Spiele und TSR, D&D3, Pokémon-Boom, bis zum Platzen der d20-Blase. In der Zeit habe ich auch Conventions organisiert.

            Ich kenne die Spielebranche am besten von der Schnittstelle zwischen Verlag/Vertrieb und Endkunden: wie ist die Reaktion von (potenziellen) Kunden auf die Angebote der Verlage, welche werden angenommen (nicht nur gekauft, sondern auch aktiv gespielt) und welche Käufer kommen wieder, um mehr davon zu bekommen.

            Ein Punkt, der mich an deiner Berichterstattung über deine Verlagsgespräche verwundert, ist das Argument der fehlenden Illustrationen. Ja, Artwork ist wichtig, aber traditionell ist das Aufbereiten für die Publikation doch genau das Tätigkeitsfeld der Verlage. Ein Romanautor muss doch sein Romanmanuskript auch nicht mit druckfertigem Cover einreichen, wenn er an einen Verlag herantritt. (Da ist der Modus Operandi ja nochmal ein völlig anderer: Üblicherweise wird ein Exposé und ein Beispielkapitel eingereicht und besprochen, bevor der Autor anfängt, den Roman zu schreiben.)
            Das ist bei Brettspielen ähnlich. Da wird ein Prototyp eingereicht, der durchaus schon mal mit Artwork aus dem Netz aufgehübscht wird, damit das Thema transportiert wird, aber viele Brettspiele bekommen im (manchmal Jahre währenden) Hin und Her zwischen Autor und Verlag ein ganz anderes Thema übergestülpt, weil „das fünfte Hanse-Spiel dann doch eins zuviel ist“.

            Zum Thema Aufmerksamkeit generieren: Auch das ist eigentlich die Aufgabe eines Verlages, die zweite Hälfte des Deals zwischen Autor und Verlag. Warum hat ein Autor Interesse daran, sein Werk an einen Verlag zu geben? Weil er – wie du schreibst – keine Zeit hat, sich um Aufmerksamkeit, Vertrieb (und Gestaltung) zu kümmern. Ein Autor will schreiben, nicht Marketing machen oder Päckchen packen.
            Das ist der Grund, warum der Verlag einen so großen Teil am Kuchen abbekommt, weil er tatsächlich auch einen erklecklichen Anteil der Arbeit hat. Ja, ohne den Text des Autors gäbe es kein Spiel, kein Produkt zum Verkaufen, aber ohne Marketing und Vertriebsleistung erreicht das Spiel auch nicht sein Publikum.

            Die Frage ist: Womit möchtest du deine Zeit verbringen? Einer langjährigen Grassroots-Kampagne oder dem Schreiben von weiteren Bänden?
            Wenn du keine Zeit für Marktforschung und Endkundenpflege hast, dann musst du dies einem Verlag anvertrauen, und ich meine wirklich anVERTRAUEN. Dann musst du ihm glauben, wenn er sagt, er kann ein Werk nicht im Markt platzieren, weil Artwork oder Inhalt oder Thema oder Ausarbeitung oder Umfang oder was auch immer nicht passt – und dein Werk anpassen, umarbeiten, neu schreiben.
            Romanautoren und Brettspieldesigner machen das alle naselang. Nichts wird so veröffentlicht, wie es eingereicht wird.

            Und selbst wenn du doch alles selbst machst – manchmal wird auch nichts so verkauft, wie es in Eigenregie produziert wird.
            Ich habe in meinem Laden ungefähr einmal pro Jahr Jungautoren gehabt, die mit leuchtenden Augen und voller Stolz ihr in monatelanger Kleinarbeit geschriebenes Rollenspiel, voll illustriert und im Copyshop in viel zu großer Auflage gedruckt, präsentiert haben. Und denen ich dann sagen musste, dass ihr Spiel bei bewundernswertem Aufwand leider völlig am Publikum vorbei produziert wurde. Und die Vorstellungen davon, wie der Markt funktioniert, schon falsch waren. (Ein Laden kann ein Spielbuch, das 15 Mark kosten soll, nicht für 11,50 Mark vom Autor kaufen. Und nein, 20 Stück auf einmal geht auch nicht.)

            Aber die Zeiten haben sich ja sowieso geändert. Heute haben Läden eine andere Funktion als „zu meiner Zeit“. Ein engagierter selbstverlegender Autor braucht heute keinen Ladenvertrieb mehr – die Läden stehen Kleinstverlagsprodukten heute nicht mehr so offen gegenüber, die Zeiten der gelbleuchtenden Drachenland-Module, der fotokopierten Fanzines, der semiprofessionellen Herr des Lichts oder Dunarion (die teilweise ganz regulär im Vertrieb bei FanPro und WDS waren) ist vorbei. Manche Läden haben ja nicht einmal mehr die zweite Riege der professionellen Verlage im Sortiment! Alles außer DSA, SR, CTH, SpliMo und D&D ist uninteressant für die.

            Da bleibt eigentlich nur die Ochsentour über die Conventions und sozialen Medien übrig…

          2. Ariatros Artikelautor

            Erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst und deine wertvollen Erfahrungen hier mit uns teilst.
            Ich kann dir zum Punkt Verlag leider nur das sagen, was mir gesagt wurde. Neue Marken sind immer ein Risiko und wenn dann noch in Bilder investiert werden muss, steigt die Hürde weiter. Da es zusätzlich mehr Angebote bei relativ gleichbleibender Spielerzahl gibt, verstreut sich die Aufmerksamkeit stärker. Damit ist es für den Verlag deutlich sicherer in bekannte Marken zu investieren oder eben in Produkte, in denen sie nur wenig selbst investieren müssen. Das ist auch nachvollziehbar. Ich meine, jede Quelle sagt, dass man nicht vom Hobby leben kann (sofern man kein großer Verlag ist, aber selbst setzen ja auf ihre eigenen Marken). Es wäre damit nur eine Konsequenz, so vorsichtig wie möglich zu investieren.

            Aber dann passiert genau das, was du sagst. Ich als Autor habe keine Ahnung von Marketing, Druck oder Vertrieb. Ich will schreiben. An den Kunden vorbei zu entwickeln, sehe ich dabei als ernsthaft Gefahr. Allerdings wüsste ich auch nicht, wo ich mir einen Überblick über den Markt holen könnte, außer natürlich Verlage und Läden geben darüber Auskunft. Du schreibst, dass du selbst direkt an der Schnittstelle warst und damit einen guten Einblick über die Wünsche sowie Reaktionen der Spieler auf das Angebot hattest. Hättest du einen unbekannten Autor darüber Auskunft erteilen dürfen und wollen? Gab es vielleicht allgemeine Trends, die immer gut ankommen und noch heute Gültigkeit besitzen? Ich sehe es in meinen Freundeskreis, dass momentan schnelle Systeme gern gespielt werden. Das heißt, möglichst wenig Regeln und Seiten, aber dafür ein möglichst schneller Einstieg und eine interessante Setting-Idee. Ist es das, was aktuell von den Spielern gewollt wird?
            Wenn du sagst, die Zeit haben sich geändert, machen Läden für den Jungautor noch Sinn? Oder ist es am sinnvollsten für Werbung wirklich jede Convention mitzunehmen und auf jeder bekannten Internetplattform die Werbetrommel zu rühren?

            Entschuldige, das waren jetzt viele Fragen. Aber es ist spannend, die Meinung von jemanden zu hören, der viele, hilfreiche Erfahrungen sammeln konnte ^^

  7. Dirk Remmecke

    Ich schreibe nachher noch eine längere Antwort zu den anderen Fragen, aber das hier kann ich jetzt schon kurz und knackig sagen:
    „Wenn du sagst, die Zeit haben sich geändert, machen Läden für den Jungautor noch Sinn? Oder ist es am sinnvollsten für Werbung wirklich jede Convention mitzunehmen und auf jeder bekannten Internetplattform die Werbetrommel zu rühren?“

    Für Jungautoren machen Läden Sinn, wenn man es schafft, sein Spiel über den traditionellen Weg zu vermarkten – über einen engagierten Verlag, der an das Produkt glaubt und alles versucht, es in die Regale zu bekommen.
    Für einen selbstverlegenden Jungautoren machen Läden (Plural) keinen Sinn. Der eine, lokale Lieblingsladen (Einzahl), bei dem man den Inhaber kennt, und der bereit ist zu helfen, eine lokale Plattform zu schaffen (öffentliche Testspielrunden im Laden) und eine regionale Keimzelle für ein neues Spiel zu fördern, das ist eine andere Sache. Und wer weiß, vielleicht ist dann der Laden daran interessiert, das Spiel zu verlegen und über seine Kontakte zum Vertrieb (fast alle Läden bestellen bei z.B. Pegasus) dort einzulisten. (Viele Verlage haben genau so angefangen, als Laden mit langsam wachsenden Verlegerambitionen: FanPro, Uhrwerk, Pegasus, Citadel/Laurin…)

    Für einen tatsächlich SELBSTverlegenden Jungautoren ist es sinnvoll, die Conventions und sozialen Medien zu bespielen, mit Vorstellungen des Spieles, kostenlosen Downloads (Demomaterial, oder den kompletten Betaregeln). Und dann schauen, wie es von der Community angenommen wird. Dabei muss man aber aufpassen, dass die Online-Präsenz nicht als Spam aufgefasst wird. Spiele, die damit Erfolg hatten, aber für meinen Geschmack den Bogen weit überspannt haben, sind der Warhammer-Clone ZWEIHÄNDER und die D&D-Clones LOW FANTASY GAMING und LION & DRAGON, deren Autoren mir viel zu aggressiv und werblich posten.
    Das beste positive Beispiel, das mir einfällt, ist die Entstehungsgeschichte von DUNGEONSLAYERS, das in der aktuellen Version 4 ja doch bei einem Verlag gelandet ist – mit einer sehr aktiven Community hinter sich.

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