Von den guten Sitten – wenn Höflichkeit zur Kette wird

Ich will den monatlichen Beitrag wieder mit einer kleinen Geschichte beginnen. Sie handelt von einem Phänomen, das man auch im Alltag erleben kann. Nämlich wenn man einen Menschen, den man eigentlich nichts Böses will, sagen muss, dass er bitte gehen soll. Im Rollenspiel wird das Ganze noch einmal, meiner Meinung nach, intensiviert, weil hier gleich eine Gruppe von Menschen längerfristig an einander gebunden ist.
Mir wurde von einem Bekannten ein Spieler empfohlen. Ohne Bedenken lud ich ihn in die Gruppe. Nun, beim ersten Mal stand er noch unter Welpenschutz, aber bereits hier hat man gemerkt, dass sein Humor nicht der der Gruppe ist und er noch sehr jung war. Da er aber noch nie Rollenspiel gespielt hatte, wurde er auch zum zweiten Mal eingeladen. Er war schließlich kein Arschloch, sondern lediglich unerfahren – so dachten wir. Außerdem freute er sich so sehr, endlich Freunde gefunden zu haben, dass eine vorzeitige Trennung uns als Menschen auch leidgetan hätte. Unglücklicherweise geriet für ihn dadurch das eigentliche Rollenspiele in den Hintergrund. Für ihn war es vor allem wichtig, in Gesellschaft zu sein. Daraus ergab sich, dass er leider nicht besser wurde. Es war sogar das Gegenteil der Fall. Seine Mentalität wurde eher labiler und seine Anwesenheit zunehmend anstrengend für die Gruppe. Denn desto länger er Zeit mit uns verbrachte, desto mehr bröckelte seine Maske und desto mehr band er sich an die Gruppe. Man redete mit ihm und versuchte ihn zum gruppenkompatibleren Spiel zu erziehen. Allerdings baute das für ihn Druck auf, sodass er mehrfach emotionale Ausbrüche in einer Sitzung erlitt. Es war nicht nur so, dass unsereVersuche ihn der Gruppe anzupassen scheiterten, zu allem Überfluss kam auch noch einseitige, unerwiderte Zuneigung von seiner Seite zu einem Gruppenmitglied dazu.

Daraufhin traf sich die Gruppe, um sich zu beraten, wie weiter mit dem Spieler vorgegangen werden sollte. Alle waren sich einig, dass der Spieler die Gruppe verlassen sollte, aber niemand wollte es ihm direkt ins Gesicht sagen. Dagegen standen Verantwortungsgefühle, Mitleid und Höflichkeit. Es waren und sind diese gesellschaftlichen Ketten, die die Gruppe einen Spieler behalten lassen, der die Gruppe unter Strich nur belastet hat und immer noch belastet. Ich will gleich vorweg sagen: es ist gut, dass unsere Gruppe diese Erziehung genossen hat, aber in dem Fall hat sie uns handlungsunfähig und erduldend gemacht. Deshalb will ich in diesem Beitrag einmal darüber sprechen, wie es zu diesem Paradoxon kommen und was man dagegen tun kann.

 

Was ist Sitte?

Für die Annäherung an das Problem halte ich den Begriff der Sitte für ergiebig. Sie wird häufig als Oberbegriff für Manieren, gesellschaftskomforme Erziehung und für die Regeln des gewünschten Verhaltens genutzt. Wird der Begriff analysiert, offenbart er sich aber vor allem als rational schwer begründbaren Ballast. Es macht moralisch keinen Unterschied, ob meine Ellenbogen auf dem Tisch sind oder nicht, ich Frauen immer zuerst die Hand gebe oder Gesundheit sage, wenn jemand niest. Das sind keine Situationen des ethisch guten oder bösen, sondern des sittlich richtigen oder falschen. Diese Regelungen sind irgendwann einmal entstanden und haben vielleicht in ihrer Entstehungszeit Sinn gemacht, mittlerweile erfüllen sie aber keinen Zweck mehr. Dennoch werden sie weitergegeben und ihr Einhalt gefordert. Ihre Nicht-Einhaltung kann zwar nicht juristisch verfolgt werden, aber sie wird sozial sanktioniert. Es gilt als unhöflich oder rüpelhaft, Sittenregeln nicht zu kennen oder sie zu verletzen.

Auf die Situation bezogen, verhinderte eben jener sittlicher Ballast, dass die Probleme direkt angesprochen und schnell geklärt werden konnten. Unsere Höflichkeit machte uns unfähig zu handeln. Das war keine Angst oder Unbeholfenheit, die uns gehemmt hat, sondern schlicht das anerzogene Gefühl, so einen Konflikt so sanft und indirekt wie nur möglich klären zu sollen. Niemand wollte einem Spieler, der nur ein schlechter Rollenspieler mit anstrengenden aber nicht unsozialen Habitus war, geradeheraus sagen, dass er die Runde verlassen soll. Keiner konnte diesen Maulkorb der Moral auch richtig erklären. Es gehörte sich einfach nicht, in der Konstellation ein Machtwort zu sprechen. Immerhin konnte der Spieler nichts dafür, dass er so jung und unerfahren war oder schon schlimme Dinge in seinem Leben erlitten hatte. Waren wir also die Bösen, weil wir ganz pragmatisch und egoistisch auf unseren Spielspaß pochen wollten?
Im Endeffekt ist durch das sittliche Verhalten der Gruppe nichts besser geworden. Sicherlich lag das in vielen Punkten auch an dem fehlenden Bewusstsein oder der mangelhaften Sozialwahrnehmung des Spielers. Aber wir konnten nur darauf hoffen, dass die Person ihr Fehlverhalten und unsere unmissverständlichen Zeichen bemerkt und ihre eigenen Konsequenzen daraus zieht. Die Sitte oder der Anstand nahm uns die Initiative. Das Problem ist darüber hinaus auf viele verschiedene Situationen übertragbar, in denen etwas als unsittlich wahrgenommen, es aber durch die Sitte nicht angesprochen werden kann. Damit stellt sich die Frage, wie man richtig handeln sollte.

 

Wie richtig handeln?

Die einfachste Art und Weise so eine unangenehme Situation zu lösen, ist es natürlich die Sitte zu ignorieren und auf Kosten der Sozialität alles direkt anzusprechen. Das ist auch die Option, die von Außenstehenden am meisten empfohlen wird. Dennoch ist es, meiner Meinung nach, nicht die beste Alternative. Selbst wenn man die Sitte außer Acht lässt, wird man den Betroffenen damit höchst wahrscheinlich verletzen und sich aufgrund dessen danach selbst schlecht fühlen. In schlimmeren und durchaus möglichen Szenarien kann der Betroffene emotional überreagieren und eine Szene entstehen. Sicherlich kann man sich immer sagen: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Aber optimal ist diese Herangehensweise deshalb nicht.

Ich hatte mich auch schon mit verschiedenen Rollenspielern darüber unterhalten. Einige verstanden das Problem nicht und meinten, dass sie einfach kaltschnäuzig wären und jede misslungene Handlung dem Spieler an den Kopf werfen. Sie haben sich ausgemalt, dass er dann schon von alleine lernt. Meines Erachtens nach, würde ihn das nur in die Defensive zwingen und ihn ähnlich verletzen, als würde man ihn direkt sagen, dass er gehen sollte.

Für andere war die einfachste Lösung jeden Kontakt zum Spieler abzubrechen. Er wird einfach nicht mehr eingeladen oder angeschrieben und dann soll nach ihnen alles wieder gut sein. Wenn man emotional erkaltet ist, kann man so eine Strategie sicherlich durchziehen. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass Vermeidungsverhalten die Probleme nicht löst, sondern sie nur aufschiebt. Zumal jetzt im Fall meiner Gruppe der Spieler sich einfach von sich aus melden würde. Dann darauf nicht zu antworten, wäre genauso unsittlich, wie ihm zu sagen, dass er gehen soll.

Die genannten Lösungsansätze sind allesamt gegen den Spieler gerichtet. Deshalb hat sich unsere Gruppe dazu entschieden, eine Lösung im Interesse des Spielers zu finden. Das heißt konkret, dass wir ihn in andere Spielerkreise mitnehmen und ihm andere Runden vorstellen, in die er vielleicht besser passt. Gleichzeitig wollen wir versuchen, ihn von unserer Gruppe zu entwöhnen, indem wir seltener die Runde mit ihm spielen. Das scheint bisher ganz gut zu funktionieren, allerdings ist das auch mit viel Aufwand verbunden. Zudem ist nicht klar, ob uns da nicht die einseitige, unerwiderte Zuneigung doch noch einen Strich durch die Rechnung macht.
Das ist etwas, was ich nur mit der Zeit sehen werde. Aber mich würde interessieren, wie ihr in so einen Fall gehandelt hättet oder ob ihr sogar einmal einen ähnlichen Fall hattet? Schreibt es mir wie immer einfach in die Kommentare.

11 Gedanken zu „Von den guten Sitten – wenn Höflichkeit zur Kette wird

  1. Thorsten

    Ich hätte die Problematik nach einer Weile erst im Vertrauen mit dem entsprechenden Spieler besprochen und dann mit den anderen Spielern entschieden, ob er weiter an der Runde teilnehmen kann.

    Ich finde euer Verhalten ziemlich übergriffig und psychologisch sehr grauzonig. Der Problemspieler wird von euch, wenn auch gut gemeint, beeinflusst und angeblich wird er „in seinem Interesse von der Gruppe entwöhnt“ und weitergereicht. Brrr.

    Ich hab den Link zum Blogbeitrag auch mal bei Twitter geteilt: https://mobile.twitter.com/ThorstenPanknin/status/990171814193135616

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    1. Ariatros Artikelautor

      Danke für deinen Kommentar. Ja, die Antwort höre ich oft. Aber sie wird nicht der tatsächlichen Situation gerecht.
      Was würdest du denn den Spieler sagen? „Pass auf, die Chemie stimmt nicht, wir haben unser Bestes getan aber du passt bei uns nicht rein.“?
      Das eigentliche Problem ist, dass es diese Hemmungen bei einer direkten Aussprache gibt, weil der Spieler labil ist und weil man ihn den möglichen Zusammenbruch nicht antun will. Dennoch finde ich, sollte im Sinne der Gruppe entschieden werden. Sie sollte nicht wegen eines Spielers benachteiligt werden. Das ist das eigentliche Dilema und da empfinde ich den Entschluss, den meine Gruppe und ich gefasst haben, noch recht human.

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  2. Jan

    Ich würde es wohl so oder so mit ihm direkt ansprechen. Es ist ja nicht so, dass man ihn damit übermässig belastet, das ist ziemlich alltäglich. Von daher sollte jeder damit klarkommen können. Das heisst natürlich nicht, dass er damit klarkommt. Aber dann würde ich mich eher drauf konzentrieren ihm beim Klarkommen zu helfen. Es bleibt ja trotzdem die Möglichkeit ihn anderen Gruppen vorzustellen. Und wenn das auf die Art und Weise gar nicht klappen kann, dann klingt das nach einem psychologischen Problem, dessen Lösung nichts für unsereins ist, dafür gibt’s Ärzte. Aber so ein Problem ist sicherlich nicht durch Umgehung lösbar, damit fördert man es meinen Wissensstand sogar.

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    1. Ariatros Artikelautor

      Ja, das mit dem direkten Ansprechen ist so ein Ding. Das war auch die Möglichkeit, über die wir zuerst nachgedacht haben. Aber da trat das auf, was ich im Beitrag als sittliche Kette benannt habe. Ein klammes, hemmendes Gefühl, weil man weiß, wie sehr es den Spieler mitnehmen würde. Darum, wie du es auch vorgeschlagen hast, versuchen wir ihm, andere Gruppen, in die er eventuell besser passt, näher zu bringen. Ich muss auch sagen, dass unsere Lösung nicht gut ist, aber uns ist nichts besseres eingefallen. Unter anderem deswegen bin ich auf die Kommentare hier gespannt.
      Ich empfinde den Umgang mit einen solchen Spieler als schwieriges Spannungsfeld. Einerseits ist er der Gruppe fremd und man könnte sich einfach abwenden. Andererseits hat man aber seine Erziehung, eigene Moralvorstellungen etc. und versucht doch irgendwas in seinem Sinne zu tun. Aber auch da stellt sich dann die Frage, inwieweit darf ich, als Spielleitung – nicht als nahestehende Person, Freund oder sonstwas – so private, geradezu paternalistische Ratschläge erteilen. Ich bin nicht für ihn verantwortlich, auch wenn ich ein gewisses Verantwortungsgefühl empfinde. Meine Aufmerksamkeit gilt vor allem meiner Kerngruppe und dazu gehört der Spieler nicht.

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      1. Jan

        Na ja, er ist offensichtlich auch unhöflich, da er eure Wünsche nicht respektiert (und/oder nicht erkennt). Und ich finde es nicht sonderlich unhöflich ihn direkt drauf anzusprechen, auf jeden Fall nicht weniger unhöflich als hinter seinem Rücken zu versuchen ihn “wegzuloben“ (bewusste Überspitzung). Man muss ihm es ja nicht vor der Gruppe vor den Kopf knallen. Man kann es ihm höflich unter vier Augen schonend beibringen. Aber ist naturlich eure Entscheidung, wie sehr ihr euch wegen eines (unhöflichen 😉 ) Störenfrieds einschränken wollt.

        Ich muss sich sagen, dass hinter deiner Argumentation in meiner Erfahrung häufig einfach Bequemlichkeit steckt. Man vermeidet so das unangenehme Gespräch mit dem Betroffenen. Keine Ahnung, ob’s bei euch vielleicht in einzelnen Fällen auch so ist, aber wenn es so ist, leidet ja ihr selbst drunter 😉

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        1. Ariatros Artikelautor

          Nun, scheinbar habe ich die Situation noch nicht immersiv genug wiedergegeben. Die Dinge anzusprechen, auf welche Art auch immer, führt sehr wahrscheinlich zu einem Zusammenbruch. Der Spieler reagiert schon bei deutlich kleineren Anmerkungen sehr emotional. Klar wäre das eine Notlösung, wenn wir die Geduld verlieren, aber wie gesagt, aus Höflichkeit wollen wir das eher feinfühliger angehen. Deswegen muss ich dir in Sachen Bequemlichkeit auch klar widersprechen. Dann hätten wir uns einfach nicht mehr bei ihm melden brauchen. Aber stattdessen arbeiten wir an einer Lösung, ich schreibe einen Beitrag darüber und schaue, wie andere Rollenspieler in so einer Situation vorgehen würden und wir investieren Mühen im Sinne des Spielers. Die unangenehme Situation ist eher die am Spieltisch oder das aufdrängende Verhalten seinerseits.
          Ich versuche mal dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. Was könnte man in so einer Situation machen, ohne den Spieler direkt zu konfrontieren oder zu ignorieren?

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          1. Jan

            Es gibt für mich definitiv keine Alternative dazu. Wenn das mehr oder weniger direkte Ansprechen für ihn nicht machbar ist, dann ist das Problem, dass es zu lösen gilt. Ist ja nicht so, als würdest du ihm damit helfen ihn so durchs Leben gehen zu lassen. Wie lange wird es wohl gut gehen, bis jemand anderes diesen Zusammenbruch verursacht? Weil es ihm egal ist oder weil er es nicht absehen konnte, völlig egal. Aber wer mit Feedback nicht umgehen kann, wird sehr schnell Probleme kriege. Also hilf ihm das in den Griff zu kriegen und mach sein Problem nicht noch größer.
            Ich wollte eure ehrbaren Motive mit meinem letzten Post auch nicht in Frage stellen, sondern nur etwas am Blickwinkel „ruckeln“. Das will ich auch jetzt nicht. Da es sich ja wirklich um einer ernstes Problem handelt ist eure Lösung meiner laienhaften Meinung nach zu 100% falsch. Bei so einem massiven Problem wird der Spieler früher oder später richtig Schwierigkeiten kriegen, weil er einfach nicht sozialkompatibel ist, egal mit wem. Denn jeder Mensch kriegt immer wieder Feedback und muss damit leben. Ihr schafft jetzt mit viel Aufwand ein künstliches Umfeld in dem sein Verhalten funktioniert, er bekommt nicht gespiegelt, wie belastend dass für sein Umfeld ist. Also gibt es für ihn keinen Anlass etwas zu ändern und er denkt, was er macht funktioniert. Umso größer wird für ihn die Fallhöhe, wenn mal jemand ehrlich zu ihm ist, denn irgendwann wird irgendjemandem der Kragen platzen.
            Also summa summarun, alles was man außer (wertschätzen und höflich) zu konfrontieren machen kann, halte ich für einen Fehler. Daher kann ich dir leider keinen Tipp geben, außer nochmal im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“ drüber nachzudenken.

          2. Ariatros Artikelautor

            Alles klar, aber ich will dir dennoch für deine Gedanken danken.
            Ich sehe es ähnlich wie du. Es ist wirklich eine schwierige Situation und sehr wahrscheinlich muss man in einen anderen Umfeld ansetzen, um irgendwas zu verbessern. Aber das ist natürlich sehr schwierig, weil man dafür einfach nicht zuständig ist. Also keiner von uns hat das recht so private Dinge in die Wege zu leiten, die einzig und allein im Verantwortungsbereich des Spielers liegen. So weiterlaufen lassen kann man es auch nicht, weil dafür die Belastung für die Gruppe zu hoch ist. Wie du schon sagtest, irgendwann kommt der Zusammenbruch oder das Ende der Geduld. Und meine Gruppe und ich haben, wie gesagt, auch keine echte Strategie die Situation zu lösen.
            Ich meine, das ist jetzt eine sehr spezielle Lage. Ich denke aber, wenn man es allgemeiner fasst, finden sich solche Situationen aber häufiger im Rollenspiel. Wenn man sich fragt, was hält einen auf, Klartext zu reden, dann sehe ich zuerst die Sitte als Hemmung. Man will nicht unhöflich sein, schließlich will man mit den gleichen Respekt behandelt werden, wie man die anderen Leute am Tisch behandeln. Ich habe schon öfter die Erfahrung gemacht, dass man dann aber in so eine Passivität verfällt. Man ärgert sich über einen frechen Spieler, der die eigene Höflichkeit ausnutzt, ohne aber aufgrund dieser Sittenregeln etwas gegen ihn unternehmen zu können. Eher versucht man dann diesen Spieler zu meiden oder redet mit anderen Spielern über ihn. Mein Einstiegsbeispiel in das Thema war jetzt natürlich sehr persönlich und extrem, aber eigentlich wollte ich eher über dieses Phänomen sprechen.
            Sicherlich, hier würde ein Großtteil aller Rollenspieler auch sagen, der Spieler gehört direkt angesprochen und gerügt – was richtig ist – aber das passiert nicht am Spieltisch. Aus meiner Erfahrung sieht die Realität eher so aus, dass man dieses freche Verhalten erträgt. Und ich empfinde es immer wieder als erstaunlich, wie sich einer, einfach nur indem er Höflichkeiten nicht beachtet oder gezielt ausnutzt, gegen eine Mehrheit durchsetzen kann. Ich spreche hier auch nicht von schlimmen assozialen Verhalten, aber so von kleinen, unangenehmen Dingen. Wie zum Beispiel einer bringt nie was zum Knabbern mit, bedient sich aber immer großzügig an den Sachen, die die anderen mitbringen. Oder er tut freundlich, aber man merkt ganz genau dass er jeden Vorteil für seinen Charakter gnadenlos ausnutzt. Also so Dinge, die perse nicht ermahnungswürdig sind, aber die in der Summe stören. Ich habe mich gefragt, warum ist es eigentlich so schwer, sowas zu verhindern. Warum empfinde ich da eine Hemmung und das habe ich versucht im Beitrag zu erläutern. Das war die eigentliche Intention meines Beitrages.

          3. Jan

            Hm, da kann ich dir nur bedingt weiterhelfen. Mir fällt es schon immer nicht allzu schwer gesellschaftlichen Normen zu widersprechen. Mache ich auch nicht aus Gewohnheit, aber oft genug. Ich war halt immer etwas außerhalb der Norm, da gewöhnt man sich dran und verliert einfach die Hemmschwelle. Kein einfacher Weg, aber ich würde ihn jederzeit wieder gehen. Also der einzige Tipp, den ich dir geben kann, ist es immer wieder zu versuchen und zu “üben“, wo es angemessen ist. Dann wird es mit der Zeit einfacher. Und damit meine ich nicht selbst so ein “Ausnutzer“ zu werden, sondern es eben an solchen Punkten zu machen, die du angesprochen hast. Mehr weiß ich auch nicht, ich war bisher selten in deiner Position.

  3. Andreas (RPGnosis)

    Hm, das Problem scheint mir weniger eins von Sitte und Höflichkeit zu sein, sondern von Überforderung (in Anführungszeichen) mit einer „labilen“ Person. Du schriebst von emotionalen Ausbrüchen bei Kritik und von übertriebener Anhänglichkeit derselben. Das hat nichts mit Unerfahrenheit und nicht zusammenpassenden Spielstilen zu tun, sondern mit psychologischen Problemen – mit denen ihr als Gruppe offenbar überfordert wart. Was man euch nicht verdenken kann, aber ich halte die Stoßrichtung daraus ein Thema der Sittlichkeit zu machen, für verfehlt. Oder wie sähe deine Antwort auf folgende Frage aus: hättet ihr ein Problem damit gehabt, seine zu euch nicht passende Spielweise und fehlende Lernwilligkeit anzusprechen und ihm eine neue Gruppe zu empfehlen, wenn er erkennbar emotional stabil, mit Selbstwert gesegnet und sozial so kompetent gewesen wäre, dass absehbar kein emotionales Drama dabei entstanden wäre?
    Ich nehme an, ja. Offenbar gings der Person ja auch nicht wirklich um Rollenspiel – heißt, sie hat eure Runde eigentlich missbraucht.
    Deshalb ist inzwischen mein Ratschlag bzw. eigene Regel: spiel nicht mit labilen Leuten. Rollenspiel ist ein Hobby, keine Therapieveranstaltung; dazu gehört genug Reflektionsfähigkeit über das eigene Spiel und das der Mitspieler und daraus folgend die Bereitschaft, Konsequenzen zu ziehen, wenn das nicht zusammenpasst. Und falls man das zu spät bemerkt: derjenige in der Gruppe, dem die Person am leidesten tut und/oder der den besten Draht zu ihr hat, sollte genau dieses Problem mit ihm besprechen: dass er offensichtlich emotionale Probleme hat, für die zu lösen eine Rollenspielgruppe nicht der richtige Rahmen ist.

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  4. Krassling

    Mir scheint dies ein Problem zu sein, welches nicht wirklich etwas mit Rollenspiel zu tun hat. Es geht hier um den Umgang mit einem psychisch labilen Menschen.
    Was ich in so einer Situation machen würde? Vermutlich Rat bei einem Profi suchen. Woher sollte ich wissen, dass mein Verhalten nicht mittelbar negative Folgen hat? Ach ja. Falls er noch keinen Therapeuten hat, wäre dass die erste konkretere Maßnahme. Dann würde ich versuchen aus der Nummer rauszukommen. Ich fühle mich weder gewillt noch kompetent meine Treffen mit Freunden in eine Gruppentherapiestunde für Fremde zu verwandeln.

    Und bei nächster Gelegenheit würde ich dem Bekannten, der den neuen Spieler empfohlen hat ordentlich den Kopf waschen.

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