Sie sind gewaltige Kampfmaschinen, der Höhepunkt militärischer Entwicklung. Sie werden als Kriegsgötter idealisiert, deren massive Feuerkraft sich nichts widersetzen kann. Wer würde es sich schon wagen, einen waffenstarrenden Berg aus Stahl herauszufordern?
Die Faszination von Mechs begleitet die Spielerszene schon
seit den 80zigern mit dem ersten Battletech-Tabletop. Haushohe Roboter gab es
zwar schon vorher, aber sie waren meistens unnahbar und feindselig. Die
Einstellung zu ihnen hat sich damit gewandelt, dass Menschen in den Kampfkolossen
sitzen, sich selbst zu eben jenen Kriegsgöttern erheben können. Was vorher nur
ein Feindbild ohne Identifikationspotenzial war, ist ein faszinierendes
Waffensystem geworden, welches emotionale Beziehungen zulässt. Mechs sind keine
ferngesteuerten Drohnen, die in vielen Spielen schlicht einen oberflächlichen
Endgegner darstellen. Sie werden mit dem Menschen hinter dem Steuer selbst zu
einer Person aber mindestens zur Erweiterung der eigenen Person. Jeder Mech
besitzt seine Charakteristika, Eigenheiten, Zugehörigkeiten, Stärken und
Schwächen. Battletech-Veteranen witzeln mit dem Satz: „Zeig mir deinen Mech und
ich sag dir wer du bist.“
Die vorher eher ausgelutschte, metallene Projektionsfläche, wurde zur
gusseisernen Inspiration zahlloser Bücher und Spiele.
Ich kann also den Nimbus um Mechs verstehen und bin, zugegebenermaßen, auch ein begeisterter MechWarrior und Battletech-Spieler. Aber für mich sind Mechs Fiktionen. Als ich also von einem Freund halbernst gefragt wurde, wie lange es wohl dauern wird, bis die Bundeswehr Mechs einführen wird, habe ich erstmal gelacht. Mein erstes Lachen ging gegen das absurde Beschaffungswesen der Bundeswehr, was bis heute die Einführung eigener Drohnen (nach zahlreichen, gescheiterten Versuchen) verhindert hat. Mein zweites Lachen richtete sich gegen die Idee, dass sowas sinnlos Übertriebendes, wie ein Mech, einen tatsächlichen militärischen Wert haben könnte. Daraufhin brach eine hitzige Diskussion aus, in dessen Verlauf ich argumentierte, warum sowas wie Mechs wahrscheinlich niemals militärische Wirklichkeit werden würden. Die Gründe dafür will euch gerne hier erklären:
1. Auf jedem Terrain einsetzbar, kann immer wirken.
Mechs sind Riesen. Sie überragen Hochhäuser, um Eindruck zu
machen und um mit bester Sicht und besten Feuerwinkel zu feuern. Ihr Beine sind
so groß, dass kein Terrain ihn Schwierigkeiten bereitet. Soweit zumindest der
erste Gedanke. Ich bestreite aber erstmal, dass man mit zwei oder vier Beinen
überall durchkommt. Seen und Flüsse könnten tiefer sein, als die Beine lang
sind, ein Sumpf weich genug, um nicht wieder hervorzutreten und ein Berghang
porös genug, um wegzurutschen und zu stürzen. Im Grund haben sie dieselben
Schwierigkeiten mit Terrain, wie wir Menschen, wenn wir überall drauf treten
könnten. Das heißt, rutschige, weiche, kieselnde, steile, nicht platttrettbare
unförmige, brüchige usw. Flächen können ein Problem sein.
Das kritische Nachteil der großen Höhe ist jedoch, dass Mechs sofort aufgeklärt
sind. Ja, das Konzept von Mechs gesehen werden zu sollen, um Ehrfurcht zu
verbreiten, geht damit voll auf. In der modernen Kriegsführung ist das aber ein
Todesurteil. Schwere Waffen, wie Raketen, Artillerie oder Bomber, können dann
jederzeit einen Feuersturm über der Maschine entfachen. Selbst wenn Mechs aus
irgendeinem Grund solchen Beschuss standhalten könnten, wäre immer noch jede
Bewegung und Handlung beobacht- und kalkulierbar. Zudem dürfte ein Mech ein
leicht treffbares Ziel sein. Unter heutigen
Gesichtspunkten bedeutet Übergröße nichts. Der Gedanke, dass der Größere mehr
Kraft und damit Überlegenheit besitzt, ist ein evolutionäres Denken.
Militärische Entwicklungen gehen in die entgegengesetzte Richtung. Es entstehen
immer kleinerer, besser versteckbare Waffen, die ungesehen jede Position
erreichen können. Der beste Schutz vor dem Feind ist nämlich nicht einer
Panzerplatte, sondern dass der Feind nicht weiß, wo man sich genau befindet.
2. Mechs sind außergewöhnlich gut gepanzert
Natürlich ist für den Mech der beste Schutz vor dem Feind
eine Panzerplatte oder eher ein ganzes Stahlwerk davon. Ich ignoriere mal die
Produktionskosten, für man sich stattdessen eine kleine Armee leisten könnte.
Aber ich will auf den Schutzfaktor gesondert eingehen. Denn er ist eines der
zentralen Argumente für den militärischen Wert eines Mechs. Es wird davon
ausgegangen, dass eine Maschine, die so groß ist, unweigerlich sehr viel
aushalten muss. Als Vergleich wird häufig ein Panzer herangezogen, an dessen
Panzerung normale Projektile ja auch einfach abprallen. Ein Riesenpanzer, so
der Gedanke, muss dann ja ungleich resistenter gegen Waffeneinwirkung sein.
Aber das ist ein Trugschluss. Gerade die aktuelle Panzerforschung zeigt, desto
weiter sich der Schutzfaktor erhöht, desto raffinierter werden die Waffen. Der
Traum einer unzerstörbaren Einheit ist schon lange verflogen. Tatsächlich sieht
die Forschung das Ende der Panzerära schon greifbar nah. Kleine Waffensysteme
(wie Drohnen) können mit Raketen eine noch größere Wirkung erzielen. Allerdings
sind sie schneller, kostengünstiger und schwerer zu entdecken. Die sind
natürlich mit dem ersten Treffer zerstört, das gilt für Panzer jedoch auch,
wenn sie von einer Panzerabwehrwaffe getroffen werden. Es gibt zig Konzepte,
von reaktiver Panzerung – die das Projektil vor dem Einschlag zerstören soll –
bis hin zu Kompositpanzerung, die Waffenwirkung durch mehrere Panzerungsschichten
mildern soll. Das Problem daran ist, sobald einmal das neue Schutzkonzept
verstanden wurde, kann direkt eine Waffe dagegen gebaut werden. Ist die Wanne
verstärkt, reaktiv Panzerung ringsherum und ein Minenschutz dran, dann wird ein
SMART-Geschoss abgefeuert, dass an einem Fallschirm aufgehängt auf Panzer unter
sich wartet. Wird ein Fahrzeug registriert, feuert die SMART einen Metallbolzen
durch den Turm in Fahrzeug rein. Das ist keine Frage, ob der Bolzen abgefangen
werden kann, was genau er beschädigen könnte usw., sondern nur ob er trifft.
Wenn er trifft, was mit 50% geschieht, dann ist der Panzer zerstört.
Bei Mechs könnten demzufolge auch nur eine Rakete oder ein Geschoss reichen,
welches die Gelenke oder eine Steuerstelle treffen. Gerade der Kopf ist immer
sehr wenig gepanzert und bietet sich daher als priorisiertes Ziel an. Da hilft
es auch nichts, dass der Rest des Körpers aus Adamantium ist. Kommt dieses eine
Geschoss durch, fällt der Riese.
3. Gewaltiges Waffenarsenal
Vielleicht gibt es in der Zukunft eine Legierung, die so
widerstandsfähig ist, dass ein Mech so viel aushält, wie in den Spielen und gegen
alles, was nicht das Kaliber eines Schlachtschiffgeschützes hat, unverwundbar
ist. Allerdings wäre dann die Frage, warum ich so viel Superlegierung in eine
Einheit stecken sollte. Ja, er hat das Waffenarsenal, um eine ganze Armee
auszuschalten. Aber genau das ist eigentlich ein Schwachpunkt. Wird der Mech
ausgeschaltet, sind all diese Ressourcen verloren. Alle Waffen sind auf einen
Punkt konzentriert und können demzufolge auch nur von diesem Punkt wirken. Das
ist taktisch eine Katastrophe.
Selbst wenn nicht der gesamte Mech ausgeschaltet werden würde, wäre die Wartung
ein Alptraum. So viele Systeme, die alle noch völlig andere Erwartungen an
Munition, Material und Umgebung stellen. Selbst der Leopard 2, ein vertrautes,
dienstaltes System, fällt immer mal aus, weil trotz großer Toleranzbereiche
Technik einfach versagen kann. Das passiert übrigens bei Übungen genauso wie
beim Normalbetrieb. Schaut man sich die Luftwaffe an, wird die Störanfälligkeit
von technologisch komplexen Systemen noch deutlicher. Natürlich ist die
Maschinenfiktion eine perfekte. Die Maschine funktioniert immer genauso, wie
sie funktionieren soll. Wer aber einmal mit Maschinen wirklich zu tun hatte
oder mal ein militärisches Fahrzeug prüfen durfte, weiß, dass die Realität sehr
weit von dieser Fiktion abweicht. Selbst schon kleinste Beschädigungen oder
auch einfach elektronische Fehler können zu einem vollständigen Systemausfall führen.
Niemand wird deswegen alle seine Ressourcen, Hoffnungen und Pläne in eine
Kampfeinheit legen, ganz egal wie stark ihre Panzerung oder Bewaffnung ist.
4. Mechpiloten
Selbst wenn die Maschine perfekt funktionieren würde, ist
der größte Schwachpunkt, der Mensch, der das Ding bedient. Heute schon sind die
Systeme eines T90 zu komplex, um von der Besatzung vollumfänglich genutzt
werden zu können. Schütze, Fahrer und Nachlader haben im Gefecht genug zu tun,
um sich zu positionieren und zu wirken. Dann noch zur rechten Zeit die
elektronischen Gegenmaßnahmen einzuleiten, die Raketenabwehr zu aktivieren und
Rauch zu werfen überfordert die Mannschaft (das funktioniert nämlich nicht
alles automatisch).
Doch selbst wenn es da tun würde, ist ein Mensch der Maschine unterlegen. Es
gibt einen guten Grund, warum wir derzeit das FCAS (Future Combat Air System)
entwickeln. Das ist ein Jet, der keinen Piloten mehr benötigt, weil er und sein
Drohnenschwarm ferngesteuert werden. Wobei auch hier die Entwicklung eher zu
autonomen (also unabhängig vom Menschen) Waffensystemen geht. Ohne die ganze
Lebenserhaltung, den Raum für den Piloten, Anzeigen, die biologisch bedingten
Schwächen (Ohnmacht bei zu viel G in zu starken Wendemanövern, Reaktionszeiten,
Wahrnehmung, Stress usw.) wären Jets deutlich schneller, wendiger und könnten
mehr Waffen mitführen. Es ist damit unwahrscheinlich, dass in meiner
Hochwert-Ressource jemand drinsitzt und wenn doch, dann sicherlich auch mehr
als einer.
Die militärische Entwicklung geht also in eine ganze andere
Richtung, als sich das ein Battletech-Spieler vielleicht wünschen würde. Aber
das ist auch nicht schlimm. Anstatt immer größer und gewaltiger zu werden, wird
man sich vielleicht in 100 Jahren fragen, wie es wohl war, Kriege zu Fuß zu
führen. Ob das nun eine positive oder negative Entwicklung ist, sei dahingestellt.
Ich als Soldat bin froh, wenn sich Drohnen gegenseitig zerschießen, als wenn
ich jeden Tag fürchten muss, in eine Sprengfalle zu fahren.
Die Realität ist meistens ganz anders als Fiktionen oder Bilder, die man
vielleicht durch die Zeit lieb gewonnen hat. Das ist auch gut so. Der Maßstab
des Realistischen ist ernüchternd und hat nicht die aufregenden, kreativen
Seiten der Fiktion in sich. In dem Hobby will man eigentlich gerade der
Realität entrinnen, indem man sich ebene vorstellt ein strahlender Held oder
eben ein Mech-Pilot zu sein. Von daher sehe ich es sogar als wichtig an, sich großartig
brachiale Epik und übertriebene Fantasien zu behalten. Nur sollte man nie davon
ausgehen, dass sie sich tatsächlich in die Realität umsetzen lassen.
Sehr schöner Einblick aus Profi-Sicht. So hab ich noch nie drüber nachgedacht. Vielen Dank.
Gerne. Ich plaudere bei militärischen und/oder politischen Themen immer gerne aus dem Nähkästchen. Ich hatte dieses Wochenende auch ein Blockseminar zu Cyberwarfare. Hochspannendes Gebiet mit beängstigenden Technologien. Ich kann das gerne im nächsten Beitrag mal präsentieren, wenn darin Interesse besteht.