Spielgeld und das Spiel mit dem Geld

Ich war letztens auf der Silbermark-Con, einem Setting, das in einer Art Patrizier-Republik stattfindet. Der Fokus der Veranstaltung lag passend auf den großen Markt, der von Spielern aufgebaut und betrieben wurde. Das Faszinierende daran war, dass sich alles um und in diesen Markt abspielte. Selbst der Plot bestand daraus, sich bestimmte Gegenstände dort zu erwerben. Alles drehte sich um den Kauf, Verkauf und Umtausch von Geld. Das ist der Grund, warum ich das Thema und seine Spielmöglichkeiten in diesen Beitrag mal genauer behandeln möchte

Geld

Geld ist grundsätzlich ein abstraktes Konzept, denn es soll Rohstoffe, Eigentum, Dienstleistungen, Wissen, Fähigkeiten und im Grunde alles, was sich irgendwie beziffern lässt, in das gleiche, mathematische Wertesystem einordnen. Das ist notwendig, damit wir unsere Wertigkeit, etwa erbracht durch Arbeit, auch für Dinge ausgeben können, die wir nicht selbst herzustellen wissen. Es bringt aber das große Problem mit sich, dass die Bezifferung von Dingen zu einem gewissen Grad willkürlich erfolgt. Grundsätzlich bemisst sich der Wert von etwas durch Angebot und Nachfrage. Also wie schwer ist es in bestimmten Mengen etwas herzustellen und was sind die Menschen bereit dafür zu bezahlen? Der Produzent wird nicht unter seinen Produktionskosten verkaufen und der Konsument muss dem Produkt einen entsprechend hohen subjektiven Wert beimessen, dass er es trotz des Preises erwirbt. Schließlich hat er Opportunitätskosten, er kann das Geld ja auch für andere, für ihm wertvolle Dinge ausgeben. Papiergeld ist im Grunde dabei ein Schuldschein. Wir haben unseren Arbeitgeber eine Arbeitsleistung erbracht und er steht in Form dieser Scheine dafür in unserer Schuld, die wir dann gegen Produkte auf dem Markt auslösen können. Jetzt lässt sich die Frage stellen, warum man dann nicht einfach Geld druckt, wenn es doch nur Papier ist. Die Antwort ist Inflation, also die Wertvernichtung. Ein Zeitschriftenartikel spottete einst über Simbabwe, in der alle Menschen Millionäre sind. Das lag aber nicht daran, dass das Land so viel Wohlstand besitzt, sondern dass durch Hyperinflation der Wert des Geldes so weit eingebrochen ist, dass ein Apfel mehrere Millionen Simbabwe-Dollar gekostet hat. Die Leute sind dann zum Tauschhandel übergegangen, denn die Dinge haben, unabhängig ihrer Geldwertbezifferung, ja auch an sich einen Wert. Diese Idee ist im Münzgeld ebenfalls enthalten. Es wurden damals Edelmetalle verwendet, damit die Münzen als Geld einen entsprechenden Gegenwert besitzen und so die Währung decken. Also das Silber oder Gold der Münze lässt sich auch noch in viele andere Dinge eintauschen, weil das Metall an sich bereits wertvoll ist.

Spielgeld

Kommen wir nach diesem Exkurs auf das Spielgeld, das ebenfalls durch genau diese Mechanismen angetrieben wird. Grundsätzlich kann sich jeder Spieler in Vorfeld einer Veranstaltung für OT-Geld Spielgeld kaufen. Wenn das Währungssystem offen ist, also alle Arten von Währung akzeptiert werden, führt das allerdings zu einer Inflation. Auf der Silbermark gab es mehrere Essensstände, die vor aller Augen ihre Köstlichkeiten zubereitet haben. Es wurde von ihnen jedes Kupfergeld dafür akzeptiert. Für Spieler mit viel Kupfer war es kein Problem, sich die gesamte Con über nur mit ihren Spielgeld zu verpflegen. Da alle solidarisch waren, wurden nur alltägliche Mengen gekauft. Das hätten die Spieler aber nicht sein müssen. Sie hätten den anderen das Essen wegkaufen können, wodurch der Essensstand höhere Preise hätte nehmen müssen, um den Einhalt zu gebieten – ein Zeichen von Inflation.

Normalerweise sind Währungssysteme auf Larp-Veranstaltungen deshalb geschlossen. Es darf nur das Kupfer der eigenen Veranstaltungen verwendet werden und Silber oder gar Gold sind wertlos. Die Logik dahinter ist, dass Spielgeld keinen Wert besitzt, ganz egal, in welche Farbe es nun glänzt. Das heißt, es wird sich wieder auf die Materialkosten zurückgezogen. Da ist ein Kupfer genauso viel Wert wie ein Silber oder ein Gold. Die reine Materialmasse dient hier als Gegenwert. Das ist dann etwas traurig, den Anfängern erklären zu müssen, dass man ihre Silber- und Goldstücke nur im Verhältnis 1:1 (maximal 1:2 tauscht, wenn die Motive darauf ansprechend sind) tauscht, aber so funktionieren die Währungsgrundsätze im Larp.

Geld als Spiel

Ich hatte in einem älteren Beitrag bereits einmal über das Geldsystem von Tulderon gesprochen. Bei der Veranstaltungsreihe handelte es sich aber um ein geschlossenes Währungssystem und das Ziel jeder Veranstaltung war es, am Ende überhaupt noch Geld übrig zu haben. Das Geldthema wurde hier zu ernst aufgenommen. Jeder Spieler erhielt zu Veranstaltungsbeginn eine feste Menge der Veranstaltungswährung. Aufgrund der nachgebauten Bürokratie und Schikanen (Erlaubnisscheine jede Waffe, alle Fähigkeitsarten, alle Arten des Gewerbes, Mitgliedschaften in beliebigen Vereinigungen und Gruppen, Aufenthaltsrecht, Steuer, Zölle, Schmiergeld für die Wache um trotz Zoll vorbeigelassen zu werden usw. – das ist kein Witz, das gabs alles nacheinander) ist der Spieler gezwungen Geld zu verlieren (wobei die 5 Stunden Warteschlange in der prallen Hitze am Anfang der Con, um überhaupt sich diese ganzen Scheine kaufen zu können, sogar noch schlimmer ist). Die größte Sünde ist aber, dass man zusätzlich für eine OT gekaufte Vollverpflegung IT bezahlen muss. Tendenziell hat man also gegen Ende der Con kein IT-Geld mehr, um sich seine bereits OT gekaufte Mahlzeit abzuholen. Der Zwang sich irgendwie Geld zu besorgen ist konsequent und drängend umgesetzt, dass niemand für irgendwas anderes, außer das Notwendigste, sein rares Geld ausgibt. Der krönende Abschluss an dem System ist, dass alles Geld entweder bei der Taverne (in der jeder sein OT Essen abholt) oder den Bettlern (die einen bei Verweigerung einer Spende ansonsten mit lächerlich mächtigen Flüchen belegen) deponiert wird, sich die insgesamte Geldmenge aber nicht erhöht. Diese haben jedoch keine Verdienstmöglichkeiten angeboten, damit das Geld wieder zurück zu den Spielern kommt. Das heißt, es gibt jeden Contag einfach immer weniger Geld, was dadurch noch weniger zirkuliert.

Die Silbermark beweist sich hingegen als Gegenmodell. Da das System geöffnet war, konnten die Leute all ihr Kupfer (und übrigens auch ihr Silber und Gold) ausgeben. Die Preise der Marktstände waren zudem für Essen, Öle, Kosmetik, Massagen bis hin zu alten Rüstungsteilen, die jemand loswerden wollte (und die man mit genug Schliff wieder auf Vordermann bringen konnte) unvernünftig günstig. Es hat 2 Kupfer gekostet, einen Crêpe zu kaufen, der normalweise für bis zu 5 Euro verkauft werden würde. Die anderen Produkte und Dienstleistungen haben sich an dieses Preisniveau angepasst. Allein dieses Währungskonzept und die darin verkaufenden Spieler haben die gesamte Con getragen. Denn die Freiheit einkaufen zu gehen und mit Spielgeld tatsächlich wertvolle Güter zu erwerben, hat erstaunlich viel Spiel erzeugt. Das beginnt bereits bei der Warteschlang. Die Stände werden durch die attraktiven Einkaufsmöglichkeiten Orte des Zusammentreffens. Bis man selbst an der Reihe ist, steht man mit verschiedensten Spielern vor den Stand und spielt zusammen. Das schließt die Verkäufer selbst mit ein, die ansonsten rein gar nichts von der Veranstaltung hätten (weil sie stetig bis in die Nacht ihren Stand betreuen mussten). So kamen diese nicht nur ins Spiel, sondern wurden gleichzeitig für den Plot wichtige Informationsquellen, weil sie alle möglichen Gerüchte ihrer Kunden gehört und zusammengetragen haben. Das Beste war aber das Gefühl der Freiheit. Ich konnte mich entscheiden, wann und wo ich etwas kaufe. Ich konnte auch selbst entscheiden, Geld durch Diebesspiel oder Handel zu erhalten. Diese Zwanglosigkeit in Verbindung mit der Tatsache, dass das Geld tatsächlich einen Wert besaß, weil ich sinnvolle Dinge damit kaufen konnte, war ein großartiges Spielerlebnis.

Auf der Kehrseite heißt das aber auch, dass diese Form von Währungssystem abgesichert werden muss. Es braucht Händler, die tatsächlich für jedes Kupfer und zu bezahlbaren Preisen ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten, was immer ein Minusgeschäft ist (wir sind am Ende der Con rumgegangen und haben Euro-Spenden gesammelt, um das etwas abzufedern). Zudem braucht es auch Spieler, die diese Preise nicht ausnutzen und das Währungssystem mit Kupfer fluten. Wenn aber beide Bedingungen erfüllt sind, kann durch Spielgeld eine Motivationsspirale entstehen, die alles andere beflügelt. Geldbelohnungen motivieren für Quests, das Spiel wird durch die häufigen Zusammenkünfte bei den Ständen gestärkt und Plotinformationen verbreiten sich quasi von selbst. Außerdem regt es auch das Spiel anderer Rollen an (Diebe, Gaukler, Bettler usw.), die von dem Setting und seinen Möglichkeiten profitieren. Ich würde daher sagen, dass zwar ein Währungssystem erstmals schwierig zu implementieren ist, weil dem Geld zunächst einmal ein Wert verliehen werden muss, ohne Spieler zu benachteiligen, aber dann ist es ein großartiges Vehikel um Spiel und Atmosphäre zu generieren.

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