Ich hatte mich am Wochenende mit einer guten Freundin unterhalten und sie erzählte mir, dass sie jetzt Star Wars Larp betreibe. Das machte mich gleich hellhörig. Wie sollte eine technologisierte Umgebung umgesetzt werden? Was tun mit den mächtigen Jedi und Sith? Wie ertragen sich Imperiale und Rebellen am selben Ort? Welche Erzählkonzept steckt dahinter? Diese Fragen stellten sich mir und ich will den heutigen Beitrag nutzen, um euch dazu einige Antworten zu geben.
Spielkonzept: Sandbox
Zunächst: Star Wars Larp ist keine Neuheit in der Larp-Szene. Auf der Veranstaltung befanden sich etwa 200 Teilnehmer. Gespielt wurde zwischen Episode 6 und 7, im sogenannten Mandoverse. Das Spielkonzept war eine Sandbox. Das hieß zum einen, dass es sich um eine geschlossene Welt handelt, in der neue Spieler auch definitiv neue Charaktere spielen mussten. Nur in dieser Zeit vorkommende Charakterkonzepte erlaubt. Diese Charaktere dürfen dann auch nur in der Zeitepoche bespielt werden. Eine Ausnahme davon war eine 10-Jahre-davor-Veranstaltungsreihe, in der ihre jüngeren Versionen gespielt werden durften.
Zum anderen hieß Sandbox, dass der Plot vor allem von den Spielern selbst produziert werden sollte. Es gab imperiales Militär, FSB-Agenten, Rebellen, Kopfgeldjäger, Mandos, Jedi, Schmuggler, Techniker und Droiden und die Kinder spielten Jawas. Alles in allem war es damit ein sehr bunter Haufen, der sich in der Kantina traf. Das reichte als Grundlage für Gruppenkonflikte mehr als aus. Meine Freundin war Teil der Kopfgeldjägergilde und da jeder Kopfgeldbriefe erstellen konnte, gab es da auch genug zu tun, zumal die Gruppen auch noch interne Konflikte ausgespielt hatten. Dennoch lebte die Sandbox davon, dass jeder etwas mitbrachte und dem Spiel etwas hinzufügte. Ohne eine aktive und unterstützende Community wäre so ein Projekt nicht vorstellbar.
Realisierung der Vision
Das bringt mich nun zur Gretchenfrage mit Sci-Fi-Settings im Allgemeinen. Wie soll man Technologie darstellen, die es schlicht nicht gibt? Die Antwort darauf hat mich beeindruckt. Die Spieler nutzen auf kreative Art und Weises bekannte Technologie und dekorieren sie um. Es gab etwa eine Pilotenakademie, in der mehrere Computer in einem Netzwerk zusammengeschaltet wurden, um darauf gemeinsam Weltraumflugsimulationen zu spielen. Kleinere Droiden waren umgebaute Saugroboter, die sich autonom durch das Gelände bewegten und Motoräder wurden zu den bekannten Speeder Bikes umgerüstet. Für Letztere hatte eine Spielerin einen Taxiservice ausgespielt. Technologieeinsatz war also nicht nur für die Atmosphäre da, sondern bot ganz eigene Spielmöglichkeiten. Das ist, meiner Meinung nach, eine große Stärke der Sci-Fi und vielleicht auch der entscheidendste Unterschied zum Fantasy-Setting.
Technologieeinsatz erschafft ganz neue Spielmöglichkeiten. Es gibt elektronische Schlösser, die OT gelernte Techniker mit ihren Werkzeugen knacken können. Zahlreiche Fertigkeiten, die ausschließlich in unserer, technologisierten Welt eine Anwendung finden, können plötzlich ins Larp übertragen werden. Das erschafft zahlreiche, unverbrauchte Möglichkeiten der Interaktion und des Spiels. Die Realisierbarkeit von Sci-Fi hängt also in vollem Ausmaß von dem kreativen Einsatz bereits vorhandener Technologie in dem bespielten Setting ab. Was mir von der Star Wars Con erzählt wurde, machte mir Mut, dass sich damit auch zahlreiche andere Sci-Fi-Visionen umsetzen lassen.
Kämpfe
Ein zentrales Element der meisten Larp-Veranstaltungen ist der Kampf. Hier findet ein logischer Wechsel von Nahkampf auf Fernkampf statt. Zwar werden, für Star Wars typisch, weiterhin Nahkampfwaffen verwendet, da aber nur Jedi/Sith Fernkampfangriffe mit Nahkampfwaffen abwehren dürfen, sind Nahkampfangriffe im direkten Vergleich meistens unterlegen. Wie gerne und wie oft gekämpft wurde, hing am Ende allerdings auch von den Fernkampfwaffen selbst ab. Auf den Veranstaltungen werden entweder Nerf-Darts, Softair oder Lasertec verwendet. Ersteres ist die gängige Praxis, die letzten beiden eher die Ausnahmen. Noch seltener gibt es Lasertec ohne Sensoren, bei dem eine Spielleitung bestimmt, wer getroffen wird und wer nicht.
Wenn auf die verbreitetste Waffenart, Nerf, geschaut wird, fällt auf, dass ähnliche Probleme wie im Fantasy-Setting für Kämpfe existieren. Nerf-Darts prallen an Stormtrooperrüstungen ab, ohne dass die Spieler davon etwas merken. Das ist vielleicht noch einmal frustrierender, weil für einen präzisen Schuss mehr Geschick notwendig ist als für eine Keilerei. Schnell wird davon gesprochen, dass Spieler nicht ausspielen und natürlich gibt es auch Pappnasen, die das absichtlich nicht tun. Ähnlich sieht es da auch mit Magie aus. Anstatt des Windstoßzaubers vollführt der Jedi/Sith seinen Machtstoß. Allerdings müssen Machtanwender aufgrund der Vorlage noch deutlich weniger darstellen als die Fantasy-Magier. Das heißt, sie bieten weniger Effekte, weniger Interaktionsmöglichkeiten und müssen weniger vorbereiten, sind dafür aber umso mächtiger. Die Balance von Kämpfen kann dadurch kippen, welche Art von Charakteren daran teilnehmen. Deswegen muss über den Elefanten im Raum gesprochen werden.
Charaktere
Star Wars Charaktere haben von sich aus ein ganz anderes Powerlevel. Die Spielleitung limitierte deswegen bei 200 Spielern die Machtnutzer auf 20, was aber immer noch sehr viele sind. Denn unter Technikern, Piloten und Schmugglern ist ein Jedi/Sith ein Gott. Es existierte ein gesonderter Spielbereich für Machtnutzer, um das Problem zu entschärfen. Das war eine Art Meditationskreis, in der die Jedi oder ihre Padawane trainiert haben. Das führt, meiner Meinung nach, aber zu dem Problem, dass sie vom Rest der Spielerschaft und damit des Spiels isoliert sind. Es ist keine Lösung viel zu mächtige Charaktere einfach dorthin zu platzieren, wo niemand sie sieht und niemand mit ihnen spielen kann. Dann tragen sie nichts zum Spiel bei und können auch komplett aus der Veranstaltung gestrichen werden.
Der Konflikt zwischen der hellen und der dunklen Seite der Macht steht in den Hauptfilmen im Fokus. Von daher kann ich den Wunsch verstehen, diese Abenteuer als Machtnutzer nacherleben zu wollen. Allerdings ist das ohne das passende Setting oder einen Plot, der genau auf dieses Ungleichgewicht eingehen kann, schlicht eine Zumutung für alle anderen. Der Star Wars Hintergrund bietet einfach zu wenig Möglichkeiten, um sich vor Machtfähigkeiten zu schützen. In einem geringeren Maße trifft das auch auf die Zähigkeit der Mandos zu, die dann sehr bewusst Treffer an ihren Panzerplatzen ignorieren dürfen und so Powergamern Tür und Tor öffnen. Das mag mit dem umgangssprachlichen Plattenschwein im Fantasy-Setting vergleichbar sein, es erbt aber die gleichen Probleme. Weil es gab auch auf der Star Wars Veranstaltung Spieler, die haben Mandos gespielt, um diese Platten tragen zu dürfen und nicht die Platten getragen, weil sie Mandos spielen. Vielleicht ist das aber auch eine unvermeidliche Systemkrankheit des Larps selbst und damit in jedem Setting zu finden.
Sieht man von diesen sehr mächtigen Charakteren aber ab, gab es eine Vielzahl kleiner Helden. Die Jawas, die die Imperialen bedrängt haben, ihren Schrott zu kaufen. Die Droiden, die in ihrer unangepassten Weise mit den „Fleischsäcken“ gesprochen haben. Die Schmuggler, die vor der Stationssicherheit ihre Ware versteckten oder der Machtkampf zweier Syndikatbosse. Das erschuf, meiner Meinung nach, die schönsten Erlebnisse. Das ist es am Ende auch was die Sandbox und damit das Star Wars Setting an sich belebt. Es reicht aus, diese kleinen, aus den Filmen bekannten Rollen darzustellen, um die Vision der Vorlage umzusetzen.
Deswegen komme ich zu dem Schluss, dass es gar nicht so schwer scheint, Sci-Fi im Larp bespielen zu wollen. Die Technologie, die ich zuvor als Grenze und Hindernis gedacht habe, hat sich in der Erzählung als neuartige Interaktionsmöglichkeit entpuppt. Solange der Geist der Vorlage durch Rollenspiel erhalten wird, braucht es deswegen keine Technik aus der Zukunft, um die Vision der Science Fiction zu realisieren.
Boah, danke für diesen erfrischenden, ehrlichen Artikel!
Star Wars LARP hört sich super an, und der Beschreibung nach würde es mir bestimmt auch gefallen. Noch viel wichtiger ist aber, dass Du Probleme angesprochen hast – die letzten Artikel/Podcasts, die ich zu LARP gelesen bzw. gehört habe, beschrieben das Hobby quasi als Hort von Ratio und Achtsamkeit und als Lösung aller Sorgen. Insofern danke für die Erinnerung, dass LARP immer noch nicht perfekt ist, sondern von ganz normalen Menschen mit menschlichen Fehlern gespielt wird.
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Ich larpe jetzt seit 15 Jahren und muss sagen, dass diese Probleme sich nicht gewandelt haben. Wahrscheinlich ist die Machtfantasie für viele zu berauschend, um sie einfach aus der Hand zu schlagen. Vielleicht gibt es aber auch zu wenig Erfahrung, wie erfüllend kooperatives Spiel sein kann. In kenne leider nach wie vor noch genug PnP-Runden, in denen es vor allem um die eigene Macht und den eigenen Vorteil geht. Ich nehme an, dass solch ein Denken schnell aufs Larp übertragen werden kann.
Was sich dagegen geändert hat, ist die Sensibilität für Themen. Triggerwarnungen, Safewords oder Handzeichen für mehr/weniger intensives Spiel sind wichtig geworden. Ich würde daher sagen, dass weniger das Denken oder die Ansicht der Spieler und mehr die Institutionalisierung von Sicherheitsmechanismen gewandelt hat.
Aber wenn dich Star Wars Larp interessiert, kann ich da gerne für dich Kontakt herstellen.