Nerdpol Café – braucht es eine Bar für Nerds?

Ich bin derzeit in Dresden stationiert und habe neben den zahlreichen, historischen Gebäuden auch kleine Nerdläden entdeckt. Einer von ihnen hatte eine Idee, die ich spannend fand und hier gerne einmal vorstellen und diskutieren würde.

Das Konzept

Vielleicht ist euch das Konzept schon vertraut, mir war es aber neu. Es handelt sich um eine Nerd-Bar (https://nerdpol.cafe/). Die Idee ist einfach und schön zu gleich. Es ist eine gewöhnliche Bar, die aber speziell Nerds anziehen will. Das versucht sie, indem etwa überall frei benutzbare Spielekonsolen jeder Generation in ihr zu finden sind. An dem Abend habe ich mich Freunden von Bomberman für den Sega Megadrive, Soulcalibur für die Dreamcast bis zu Mario Party für die Switch quer durch das digitale Angebot gespielt. Schon allein das erinnerte an alte LAN-Partys und war eine großartige Abendunterhaltung. Zusätzlich dazu gab es eine kleine Auswahl an Brettspielen und Nebenräume, in denen aktiv mehrere PnP-Gruppen gespielt haben und mit denen man sich entspannt bei Pausen unterhalten konnte. Die Getränke- und Speiseangebot war dementsprechend auch auf die Zielgruppe zugeschnitten. Es gab von der Health Potion (ein Erdbeer-irgendwas-Eistee) bis zum Estus Flakon (Honig, irgendwas, Money Island Ingredienz (das konnte nur Rum oder Grog sein)) ausgefallene aber auch ganz klassische Getränke zu Trinken. Zu Essen gab es nur drei Burger-Varianten, die okay geschmeckt haben. Der niedrige Preis von 3-5 Euro hat die Speisekarte sehr lohnenswert gemacht.

Die Vorteile

Warum ich so eine Entdeckung wichtig finde, hat mehrere Gründe. Zunächst einmal zeigt es, dass, zumindest in Dresden, die Zielgruppe groß oder treu genug ist, damit sich so ein Konzept trägt. Es macht eine Aussage darüber, dass sich Hobbyisten mit gleichem Interesse in der Nachbarschaft befinden und dass diese erreichbar sind. Das mag zunächst trivial klingen, ist aber in Anbetracht der Ermangelung einer zentralen Plattform keineswegs unwichtig. Ich hatte die Schwierigkeit zum Finden und Organisieren von Gleichgesinnten bereits in anderen Beiträgen erwähnt. Es lassen sich nicht so einfach Nerds in der Umgebung finden. Oftmals hängt damit eine längere Suche in Foren, Facebookgruppen oder vereinzelten, wenig besuchten Seiten zusammen und selbst dann braucht es Glück, entsprechende Personen für das gemeinsame Hobby zu aktivieren. Dieser Prozess wird deutlich beschleunigt, wenn sich bereits ein Verein oder eine ähnliche Vereinigung gebildet hat. Ein Nerd-Café fällt für mich genau in diese Position, denn es erfüllt den gleichen Zweck: es ist ein Sammelpunkt für Hobbyisten. Meist braucht es nicht mehr, als dass man vor Ort andere Spieler kennenlernen, sich ein Bild von ihnen machen und mit ihnen Interessen sowie Termine besprechen kann.

Das der Nerdpol in Dresden gleichzeitig Räumlichkeiten anbietet, ist daher nur folgerichtig. Gerade in der Anfangszeit des Rollenspiels, ohne eigene Wohnung, war es immer ein ziemlicher Münzwurf für mich, zu wem man gegangen ist und wie sich das auf das Wohlbefinden (Sauberkeit der Wohnung, Platz, Bereitstellung von Speisen und Getränken) ausgewirkt hat. Das wird durch eine solche Institution abgenommen. Sie bietet damit auch eine gewisse Sicherheit für Spieler in den grundlegenden Rahmenbedingungen. Das gilt auch für die Durchmischung von Spielern. Grundsätzlich ist Rollenspiel ein zeitintensives Hobby, das eine gewisse Regelmäßigkeit erfordert, um sinnvoll fortgesetzt werden zu können. Dadurch ist es eher wahrscheinlich, dass ein Spieler bei einer Kerngruppe von Personen verweilt. Das muss aber nicht unbedingt etwas Positives sein. Häufig höre ich von Erfahrungen des Ertragens, weil keine Alternative bereitstünde. Aufgrund des persönlichen Kennenlernens in einer Lokalität würde sich dieser Effekt abschwächen und bietet gleichzeitig die Möglichkeit neue Systeme und Welten kennenzulernen. Dies kann durch verschiedene Veranstaltungen (Brettspieltage, Rollenspielprojekte, Stammtische usw.) noch weiter gefördert werden.

Die Nachteile

Die Nachteile, die gegen so eine Bar sprechen, sind zuerst der öffentliche Raum. Es ist keine private Wohnung, in der die Tür zugemacht wird und die Spielgruppe ihre Ruhe hat. Auch die Nebenräume für das PnP hatten lediglich Raumtrenner. Das heißt, ich höre als Spieler ständig andere Gruppen, Gäste oder den Betriebslärm einer Bar. Das muss man ausblenden können und es erschwert Stimmungsaufbau und Atmosphäre enorm. Taktische Abenteuer mit einer Battlemap und vorrangig gameristischen Entscheidungen mögen darin weiterhin funktionieren, aber ich stelle mir jeden Einsatz von Musik, jeden Horror oder auch nur narrativen Spannungsmoment schwierig vor.

Das gilt nicht nur für das Rollenspiel. Lautstärke und gastronomischer Verkehr können auch ein Problem für Brett- und Kartenspieler darstellen. Allgemein lässt sich anmerken, dass öffentliches Spielen eine größere Hemmschwelle für Manche darstellen könnte, als das private Spielen hinter verschlossenen Türen.

Zuletzt schafft eine feste Lokalität auch Abhängigkeit an das von ihr bereitgestellte Angebot. Einerseits sollte schon etwas vor Ort bestellt werden, wenn die Bar langfristig erhalten werden soll. Andererseits ist ein Gast dann auf das Angebot der Bar beschränkt. Von den Getränken her war das gut, allerdings war das Speiseangebot sehr dürftig, auch wenn es preisgünstig war. Jeder, der einmal eine längere Rollenspielsitzung gemacht hat, weiß, dass Essen wie die Würfeln zum PnP dazu gehören. Ja, das Problem lässt sich lösen, in dem das Angebot besser wird, aber es unterstreicht den Punkt, der sich auch noch negativ auswirken könnte. Die Gruppe ist abhängig von der Führung des Lokals. Stellt sie neue Regeln auf, etwa weil sie die PnP-Räume für ihren Betriebsablauf benötigt, lässt sich nichts mehr daran ändern.

Fazit

Insgesamt betrachtet überwiegen aber die Vorteile einer solchen Einrichtung. Ich halte sie für eine wertvolle Bereicherung der Szene und für einen wichtigen Schritt hin zur Normalisierung und Institutionalisierung des Hobbys. Ich werde den Nerdpol in Dresden auf jeden Fall weiter besuchen und freue mich auf die Begegnungen, die ich dort haben werde. Wie sieht es bei euch aus? Kennt ihr ähnliche Lokalitäten und wenn ja, nutzt ihr sie? Schreibt es mir in die Kommentare!

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