Die Gender-Debatte scheint endlos. Sie taucht in jedem Lebensbereich auf. Sie erzählt ihre eigene, feminine Geschichte, die durch die männlich dominierte Gesellschaft zu wenig Gehört findet oder in der Selbstverständlichkeit der vorherrschenden Lebensumstände untergeht. So ist natürlich das Rollenspiel vor Sexismus nicht geschützt. Wie dieser Artikel hier zeigt, der mich auch auf das Thema aufmerksam gemacht hat:
Ganz im Gegenteil, wie es sich oft in den Gruppen zeigt. Die sind zu einem so überwiegend großen Teil mit Männern besetzt, dass sich manche fragen, ob es überhaupt rein weibliche Gruppen gibt. Unter Männern scheint es dann zum guten Brauch zugehören, flache Witze für die allgemeine Erheiterung zu machen, die auch sexistisch sein können. Aber ist das ein Problem? Sind Frauen in Gruppen benachteiligt oder müssen sie dort sexistische Kommentare ertragen, um mit den anderen spielen zu können? Wie sieht das in weiblichen Gruppen aus? Das sind die Fragen, die ich klären will und die sicherlich auch viel Diskussionspotenzial bieten.
Sexismus ist kein Terrorismus
Anders als im verlinkten Artikel geschildert, empfinde ich den Begriff Terrorismus für sexistische Äußerungen oder Handlungen im Rollenspiel als vollkommenen unangemessen. Gerade wenn sich mit feministischer Theorie beschäftigt wird, sollte man wissen, wie wichtig angemessene und korrekte Begriffe sind. Focault macht diesbezüglich sehr deutlich, welche Macht hinter Wörtern im Alltagsgebrauch stecken kann, was sie abbilden und wie sie missbraucht werden können. Den Begriff Terrorismus zu verwenden ist reißerisch und unsachlich. Es zeigt auf der anderen Seite aber auch, welche sensible Wahrnehmung bei Frauen zu diesem Thema existieren kann. Ich habe in der Debatte selbst das Problem ein Mann zu sein. Für mich stellen sich die Fragen nach Gleichberechtigung und Erniedrigung nicht. Ich kann die weibliche Perspektive also nicht einnehmen und sicher auch nur schwer nachempfinden. Aber ich kann von der männlichen Perspektive erzählen.
Ja, ich gehöre dazu. Wenn ich mit Freunden Rollenspiel betreibe, schließe ich mich auch flachen Sprüchen über Frauen an, indem ich mindestens darüber lache. Genauso weiß ich aber, dass diesen Sprüchen nicht viel mehr Wahrheit zukommt. Wir, also meine Gruppe und ich, machen überdies auch flache Witze über die Politik, Religionen oder Autofahrer (zu dieser Gruppe gehören wir selbst). Das unterscheidet sich nicht von den Pausengesprächen auf Arbeit oder bei Männerabenden. Ich sehe darin kein Werturteil. Es ist eher wie eine Satire. Würde man uns auf sowas plötzlich inhaltlich ansprechen, würden wir uns von dem Inhalt des Witzes distanzieren und zeigen, dass wir auch eine aufgeklärte Meinung besitzen können. „Das war doch nur Spaß.“, ist hier keine Ausrede. Dieser Satz drückt unsere gedankenlose, banale Art des Humors aus, der keine Bedeutung hat und den wir auch nicht im Beisein von Frauen nutzen würden, den dieser Humor missfallen würde. Dahinter steckt keine politische Botschaft, keine antifeministische Haltung. Es ist einfach nur unterhaltsamer Blödsinn und ich weiß nicht, ob man jemanden für seinen Humor moralisch verurteilen kann oder sollte. Deswegen will ich beruhigen und sagen: „Liebe Rollenspielerinnen, wir Männer sind manchmal einfach primitiv. Aber wir meinen das in den meisten Fällen nicht böse oder abschätzig.“
Frauen in Gruppen – ein Problem?
Abseits meiner Männergruppe hatte ich auch öfters Frauen dabei. Das waren jetzt keine Fremden und wir wussten, was wir uns bei ihnen wagen durften. Allerdings haben die Damen bei dummen Sprüchen nicht zurückgesteckt, sondern sind mit uns Männer gleichgezogen. Es hat sie, ebenso wie uns Männer, erheitert. Auf eine genaue Nachfrage für diesen Artikel hin, war die Begründung, dass sie wussten, dass es nur Spaß ist. Wenn es zu viel gewesen wäre, hätten sie das schon mitgeteilt. Über diese Nachricht war ich froh, denn sie zeigt: Rollenspielerinnen müssen nicht die Opfer sein, die all das passiv ertragen, sondern die störende Dinge aktiv ansprechen. Erst wenn sie dann ignoriert würden, beginnt, meiner Meinung nach, Sexismus. Darüber hinaus erzählten sie auch von ihrer Frauengruppe. Da wird genauso auf männliche Genitalien gezielt und ein Niveau erreicht, was den Witzen unserer Männerrunde ebenbürtig wäre. Da hat sich für mich gezeigt, dass Frauen und Männer im Rollenspiel nicht groß verschieden sein müssen. Ich finde es schön, dass wir uns sogar denselben, flachen Humor teilen können. Das eigentliche Problem war eher, dass die Männer um die Frauen gebuhlt haben, was diese aber zum Glück wiederum amüsant fanden.
Sex im Rollenspiel ist auch nochmal ein anderes Thema. Da habe ich erlebt, dass es besonders die Frauen sind, die gerne romantische Beziehungen initiieren und verschiedene Strategien dahingehend austesten. Der Sex selbst wird nicht weiter beschrieben. Er ist, wie die Witze, eine Mittel der Unterhaltung. Er wird genauso wenig ernst genommen. Ich habe sogar an einer Runde teilgenommen, als ein Spieler eine Spielerin im Spiel vergewaltigt hat. Das war nichts Aufgezwungenes und die Spielerin hat damit, wie mit jeder Rollenspielsituation, gespielt. Denn die Situation entstand natürlich aus dem Spiel heraus. Missbrauch von Regeln oder das Ausleben der eigenen Fantasien stand hier nicht im Vordergrund. So war es auch für die Spielerin eine „normale“ Szene, in der sie sich herausgespielt hat. Auch wenn das natürlich ein krasseres Beispiel ist, zeigt es, solange immer die distanzierte, sichere Position besäßen wird, dass das Rollenspiel ein Spiel und kein Ausdruck der eigenen Triebbefriedigung ist, können auch solche Szenen bespielt werden. Aber das Außerhalb und Innerhalb des Rollenspiels dürfen sich dabei eben nicht vermischen. Ich hatte erst echte Probleme, als sich dann ein Pärchen getrennt hatte und beide trotzdem noch in der Gruppe weiterspielen wollten. Die Schwierigkeit lag dann jedoch darin, dass sie ihren Charakter nicht mehr glaubwürdig gespielt haben, weil sie den jeweils anderen immer eins auswischen wollten. Mit Sexismus hatte das nichts zu tun.
Ich will damit schließen, dass Rollenspielerinnen sich nicht ausgegrenzt und anders behandelt fühlen müssen. Gerade wenn es sich um eine selbstbewusste Frau handelt, die den Mund aufmacht, wenn sie etwas stört, halte ich die sexistische Opferrolle für Frauen im Rollenspiel für unrealistisch. Sie sind kein Öl im Wasser. Klar ist das Hobby durch Männer dominiert, aber ich bin der Überzeugung, dass die Wenigsten davon Sexisten sind. Wenn das vorkommt, sollte sofort geklärt werden, ob die Gruppe den Einzeltäter zur Vernunft bringen kann. Wenn nicht, bleibt wohl nichts Anderes übrig, als die Gruppe zu wechseln. Ganz mit dem Rollenspiel aufzuhören wäre aber, meiner Meinung nach, die falsche Konsequenz. Jeder kann Pech mit der Gruppe haben und natürlich sind das unangenehme Erfahrungen. Aber ich habe Frauen im Rollenspiel erlebt, wie sie mit ihrer ganz eigenen Perspektive und Stil das Spiel bereichert haben. Es ist einfach schön und eine andere Erfahrung von Spiel, wenn Frauen mitmachen. Ich würde sie daher sehr am Spieltisch vermissen, wenn sie sich durch eine solche Erfahrung vom Hobby abwenden würden.
Hallo,
ich als Rollenspielerin gebe mal meinen Senf dazu ab.
Ich habe bereits in mehreren Gruppen gespielt und habe auch derzeit eine Gruppe in der sich sonst nur Männer befinden. Ich betrachte diese Leute als meine Freunde und auch bei uns gibt es hin und wieder flache, dumme Witze, die aber auch in beide Richtungen gehen. Teilweise lache ich mit darüber, teilweise quittiere ich es mit einem Augenrollen, aber ich habe mich nie ernsthaft davon angegriffen gefühlt.
Sex im Rollenspiel auszuspielen, muss meiner Meinung nicht sein. Vergewaltigung schon gar nicht (kann das wirklich eine Bereicherung für das Spiel sein?). Naja, wenn man vorher sicher gestellt hat, dass alle in der Gruppe damit leben können, meinetwegen.
Was bei deinem Artikel bei mir jedoch ein schlechtes Gefühl hinterlässt, ist, wie du mit dem von dir zitiertem Artikel umgehst. Du hast einen Artikel gewählt, in dem es darum geht, dass eine Frau u. A. mehrfach in Comic- / Rollenspielläden betatscht wurde und auf einer Convention gegen ihren Willen Drogen verabreicht bekommen hat und vergewaltigt wurde. Sie bekommt Morddrohungen und Drohungen Vergewaltigt zu werden. Des weiteren wurde sie daraufhin bei der Polizei nicht ernst genommen und ihr geraten, sich von derartigen Veranstaltungen fern zu halten.
Da du gerade diesen Artikel zitierst, finde ich es schade, dass du auf diese Inhalte so wenig eingehst, denn dort geht es um ernstere Vorwürfe als ein paar dumme Sprüche. Derartige Vorwürfe lassen sich im Vergleich zu doofen Sprüchen nicht mehr mit „Männer sind manchmal einfach primitiv“ entschuldigen.
Was meinen persönlichen Umkreis angeht, kann ich die Aussage „Tabletop Gaming has a White Male Terrorism Problem“ auch nicht bestätigen. Doch auch wenn die im zitierten Artikel beschriebenen Vorfälle die Ausnahme sind, macht es das nicht weniger schlimm und sollte ernst genommen werden.
Meiner Meinung nach ist es nicht genug, etwas zu sagen nach dem Motto: „Ich find’s ganz gut, wenn Frauen mitspielen und bei mir ist alles okay“ (sorry, das erinnert mich etwas an #notallmen, was im Artikel übrigens auch angesprochen wird). Ich finde wir sollten absolut keinen Zweifel daran lassen, dass das, was der Frau in dem von dir zitiertem Artikel passiert ist, absolut inakzeptabel ist! Dass das Hobby Rollenspiel für alle da ist und jeder sich sicher dabei fühlen können sollte.
Alles klar, dann erstmal danke für deinen ausführlichen Kommentar. Es ist schön, gleich eine Rollenspielerin zu dem Thema hören zu können.
Ich denke, dass es sich um Freunde gehandelt hat, ist ein allgemein wichtiger Punkt. Wir können diese Menschen halbwegs einschätzen und daher beurteilen, was abwertend gemeint und was nur zur Erheiterung beitragen sollte. Das ist eine Sicherheit, die uns bei Fremden fehlt. Zumindest im verbalen Bereich ist Sexismus, meiner Meinung nach, häufig eine Frage des Empfindens. Solange die Sprüche nie den Eindruck erwecken, dass Ernst dahiner steht, würde ich es auch nicht als Sexismus im Rollenspiel bezeichnen. Das ist vielleicht auch an dem Beispiel mit der ausgespielten Vergewaltigung wichtig. Das war kein forcierter Akt, sondern es war immer ein Spielakt. Solange diese Glaubwürdigkeit vorlag und es wie eine normale Szene behandelt wurde, existierte wiederum die distanzierte Sicherheit für die Spielerin, dass es sich nicht wie Sexismus anfühlte.
Das bringt mich zum zweiten Teil deines Kommentars. Was passiert, wenn es eben doch mehr wird?
Du hast natürlich recht, ich gehe da nicht weiter drauf ein. Ich hatte diese Artikel entdeckt und er hat mich dazu motiviert, das Thema in diesem Blog zu eröffnen, ohne selbst Gegenstand davon zu sein. Das habe ich aus 2 Gründen gemacht. Zuerst wurde der Artikel auf der Seite entsprechend kommentiert und dann auch noch mal in der Rollenspielgruppe auf Facebook. Da sich da schon viele zu geäußert hatten, habe ich meinen Fokus anders angelegt.
Zweitens stellte sich für mich die Frage, ob die im Artikel beschriebenen Umstände genuin das Rollenspiel betreffen. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns alle einig sind, dass die im Artikel geschilderten Umstände juristische und moralische Verbrechen darstellen. Niemand hat es verdient so behandelt zu werden, schon gar nicht, nur weil er ein bestimmtes Geschlecht besitzt. Man kann in diesem Artikel auch fragen, ob das Gleiche bei einem Mann passiert wäre. Die Antwort wäre vermutlich nein. Das hängt sicher ebenfalls mit der Stellung der Frau (Respekt, Gleichberechtigung…) und dem Frauenbild (Sexobjekt, Wehrhaftigkeit…) allgemein zusammen. Das wäre eine weitere und ich meine auch komplexe Diskussion, die diesen Kommentar jetzt sprengen würden. Allerdings wäre es auch eine allgemeinere Diskussion. Sind das Rollenspiel, die Convention, der Laden etc. nicht nur Variablen? Hat es überhaupt speziell etwas mit dem Hobby zu tun oder liegt es an den darin vorkommenden Personen, die ihr inakzeptables Verhalten auch unter anderen Umständen so umgesetzt hätten? Ich denke, da sieht man schon, wie viel mehr dazu noch hätte geschrieben werden könnte. Ich hab mich deshalb auf das konzentriert, was ich für relevant in der eigenen Runde erachtet habe und ganz schlicht auch auf das, worin ich Erfahrungen gemacht habe und etwas dazu sagen kann. Und in dem Sinne bin ich sogar froh, dass ich dort nichts Sexistischeres, als genannte Verbalisierungen, entdeckt habe.