Zuerst muss ich mich entschuldigen, dass ich leicht verspätet schreibe. Das ist das Opfer, was ich für den Prüfungsmonat bringen muss. Aber wenn der November vorbei ist, sollte sich das wieder regeln. Nun zum Thema: Ich hatte neulich wieder erfahren dürfen, wie sehr ein neuer Mitspieler die Runde verändern kann. Es kommt der Zeitpunkt, da ist man mit seiner Gruppe ein eingespieltes Team. Als Spielleitung weiß man, was diese schätzt und meidet. Die Erwartungen sind klar und es lässt sich auch erahnen, wie die Spieler in etwa in den entsprechenden Situationen handeln werden. Das macht es leicht, ein Gefühl von Freiheit zu vermitteln, obwohl die Geschichte linear (und damit aufwendungsärmer) verläuft. Zugleich kann man den Spielern in den Szenen mehr Handlungsspielraum geben, weil sie wahrscheinlich von selbst die Geschichte voranbringen, ohne dass man lenkend eingreifen muss.
Als der besagte Neuzugang dazukam, habe ich gemerkt, wie sehr ich mich auf dieser Gewohnheit ausgeruht habe. Denn der bringt plötzlich ein Bike mit. Ja, für das Ding gibt es Regeln und es passt vom Fluff her, dass er ein Bike hat. Allerdings wird die Sache dadurch kompliziert, dass der Spieler sich seinen Charakter als Knightrider vorstellt, dem Bike Befehle erteilt und nirgendswo ohne das Bike hinwill. Auf einmal teilt sich die Gruppe in zwei verschiedene Geschwindigkeiten. Der Bikefahrer will immer und überall zuerst da sein und ist es durch das Bike auch. Alle anderen laufen ihn nur hinterher. Dazu ist es noch ein starkes Kampfvehikel, was die Balance der Kämpfe ordentlich durcheinanderbringt. Zusätzlich passt das stürmische Vorgehen, überall mit dem Bike reinzubrettern, gar nicht zum Stil der Gruppe. Jede Situation, in der er sein Bike nicht benutzen kann oder in der er absteigen muss, lässt ihn protestieren. Ihn das verflixte Ding wegzunehmen, ist keine Option, auch weil sein Charakter auf dieses Bike aufbaut. Allerdings ist der Spieler eine Bereicherung für die Gruppe und dieses Bike eine regelkonforme Erweiterung seines Charakters. Kurz gesagt, es liegt in der Verantwortung der Spielleitung dieses Problem zu lösen. Ihr könnt mich gerne korrigieren, wenn ich falsch liege, aber meiner Meinung nach geht das nur befriedigend über eine durchdachte Abenteuerplanung. Damit wären wir auch beim heutigen Thema.
Planung vs Improvisation
Bei der Abenteuervorbereitung und auch beim Leitungsstil kommt man an diesen beiden Begriffen nicht vorbei. Auf die Spitze getrieben, besagen die Extreme, dass ich entweder mein gesamtes Abenteuer minutiös durchchoreographiere oder schlicht drauflos spiele. Letzteres habe ich häufig bei Gruppen erlebt, die ich als nicht gut empfand. Ich kenne aber tatsächlich einen Meister, der sie nie vorzubereiten braucht, weil er alles improvisieren kann und dennoch eine solide Spielleistung hinbekommt. Der ist aber auch sehr kreativ und leidenschaftlich. Ich bin mit so einem Talent nicht gesegnet und tendiere daher immer zur Planung. Allerdings sind beide Extreme in den meisten Fällen schlecht. Gerade die Planung benötigt einen hohen Zeitaufwand und wird dann hinfällig, wenn die Spieler ihren eigenen Weg durch die Geschichte wählen. Es ist unmöglich, sich für jede Eventualität zu wappnen. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als schwierig, völlig frei von Vorbereitung zu spielen. Meine Erfahrung zeigt mir, dass dann das Spiel spürbar willkürlicher und inkonsistenter wird. Im schlimmsten Fall bemüht sich die Spielleitung dann immer wieder Erklärungen zu finden und baut sich ein fragiles Kartenhaus auf, dass die Spieler trotz seiner Logiklücken hinnehmen müssen. Das verlagert auch die Wichtung der Bemühungen der Spielleitung auf eine irgendwie zusammenhängende Erzählung. Die Spielmechanismen werden dadurch sträflich ignoriert.
Ich weiß, dass es viele gibt, die meinen, dass es hauptsächlich auf eine gute Geschichte ankommt und diese andere Schwächen ausgleichen kann. Ich persönliche sehe das nur sehr eingeschränkt so. Sicherlich gibt es Gruppen, die am liebsten ein narratives Rollenspiel erleben. Ich habe bei solchen Gruppen auch schon einmal mitgespielt. Das ist durchaus eine interessante Erfahrung, weil gar nicht erst gewürfelt wird, sondern jeder gleichberechtigt an der Erzählung mitwirken kann. Für mich, der ein Kind des klassischen PnP ist, fehlte dann aber die Spannung, die Taktik und gemeinsame Planung. Man musste gar die Köpfe in Krisensituationen zusammenstecken und Lösungen erarbeiten, sondern konnte sich einfach irgendeine Erklärung einfallen lassen und es ging weiter. Dadurch fühlte sich die Erzählung auch beliebig und konsequenzlos an. Das Erlebnis ist also auf keinen Fall für jeden etwas, aber es ist ein gutes Beispiel für das freie Improvisieren. Denn hier macht es keinen Sinn irgendwas vorzubereiten, da alle miteinander die Geschichte schreiben.
Sofern es sich allerdings um kein narratives Rollenspiel handelt, sind Spielmechanismen essentiell für den Spielspaß. Natürlich kann man IT miteinander reden und daraus seinen Spaß schöpfen, aber das geht auch nicht endlos lange und die Mechaniken sind letztendlich die, die das Rollenspiel zum Spiel machen. Was ich also den meisten Leuten vorwerfe, die ohne jede Vorbereitung alles improvisieren, ist, dass sie sich kaum bis keine Gedanken darüber gemacht haben, was denn den Spielern Freude bereitet.
Ich halte Rollenspiel nicht für einen Selbstzweck, der aus sich selbst heraus schon wert ist, unternommen zu werden. Rollenspiel ist ein Vehikel, um ein besonderes Erlebnis und am Ende auch Spielspaß zu gewinnen. Um damit nochmal auf die Situation mit dem Bike zurückzukommen:
ich sitze da dann also während der Zugfahrt vor meinem Laptop und weiß, das Bike macht mir jede Planung zunichte. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch, dass ich mir etwas einfallen lassen muss, damit auch der Bikefahrer Spaß hat. Am Ende, und das halte ich in dieser Situation für den gesündesten Ansatz, habe ich mich ganz auf Spielmechanismen konzentriert, die einen verbundenen Waffeneinsatz unterstützen. Die Geschichte wurde dabei eher mit einer heißen Nadel um diese Mechanismen gestrickt. Konkret waren das Situationen, in denen die anderen Spieler Vorarbeit leisten mussten, in dem sie zum Beispiel Panzerabwehrwaffen ausschalteten, damit dann das Bike als ihre Trumpfkarte voll ausgespielt werden konnte oder es waren Situationen, in denen das Bike eine Ablenkung war und dadurch die anderen Spieler agieren konnten. Damit hatte ich mich auf das konzentriert, was notwendig für den Spielspaß war: Situationen, in denen alle Spieler zum Zug kommen, die aber keine konkrete, geschichtliche Lösung besitzen, sondern für Improvisationen offen sind.
Das hat am Ende auch irgendwie funktioniert. Es war zwar trotzdem schwierig, weil der Bikespieler immer vorausgefahren ist und es dennoch eine Separation zwischen Bike und Nicht-Bike gab, aber das ging zum Glück noch nicht weit genug, als dass es zwei Spielgruppen wurden. Ich wusste, dass ich mit mehr Planung, als mir konkrete Gefahrensituationen zu überlegen, schlicht nichts gewonnen hätte. Vielleicht sollte man das auch als Fazit aus der ganzen Sache ziehen. Ziel sollte es immer sein, dass alle am Spieltisch beschäftigt sind. Planung schafft Handlungssicherheit in Szenen und verhindert Inkonsistenzen, aber sie sollte niemals ausarten. Ich habe damals den Fehler gemacht, absolut alles genaustens zu planen. Aber außer viel Arbeit und am Schluss sogar Frustration zu haben, dass die Hälfte der Vorbereitung für die Katz war, hatte ich nicht viel davon. Es muss immer auch ein Raum für Improvisation da sein. Nicht nur, weil man als Spielleitung sowieso nicht umherkommt, zu improvisieren, sondern weil es auch der kreativen Freiheit der Spieler gerecht wird. Zurzeit bereite ich zum Beispiel nur noch nach diesem Schema vor zuerst mir Spielmechanismen und Situationen für die gesamte Gruppe auszudenken und diese dann grob mit einer Geschichte zu verbinden.
Vorbereitung durch Tabellen
Ich will noch kurz etwas zu Zufallstabellen erzählen, weil sie mir die Abenteuervorbereitung um einiges erleichtert haben. In meinem selbstgeschriebenen System muss ich so gut wie gar nicht mehr planen, weil mir die Arbeit der Spielsituationen durch besagte Tabellen abgenommen wird. Tatsächlich war ich am Anfang skeptisch, ob das funktionieren würde. Der wichtige Punkt bei Zufallstabellen ist, meiner Meinung nach, die Verzahnung. Ereignisse, die gar nicht passen oder die die Spieler nicht interessieren, sollte man weglassen. Allgemeine Zufallstabellen der Marke: bei 1 taucht ein Drache auf und bei 20 findet ihr ein Schatz, besitzen genau diese Gefahr unangepasst zu sein. Aber wenn man selbst Tabellen baut und ein wenig auf die Lokalität (Klima, Biome, Kultur usw.) achtet, besteht das Potenzial, dass sich das Abenteuer direkt aus solch einer Begegnung entfalten kann.
Wobei ich hier einschränken muss. Ich habe Zufallstabellen nur in meinem System zur Genüge getestet. Das ist aber auch auf ein 4X Konzept aufgebaut. Das heißt, zu Spielbeginn verändert sich jeweils die Welt über Zufallstabellen, dann besitzt jedes System noch einmal Zufallstabellen und die Reise selbst hat auch nochmal 140 mögliche Ereignisse. Dazu kommen noch mal Tabellen für Aufträge (Kurzabenteuer), Kämpfe, Handel und Beute. Das ist also alles recht automatisiert. Allerdings habe ich auch schon von DSA-Runden gehört, die nur über Zufallstabellen spielen und es scheint zu funktionieren. Ich kann daher nur die Empfehlung geben, es einfach mal selbst auszuprobieren. Vielleicht mal eine kleine Runde mit 2 Stunden für das Ausspielen einer Reise einplanen und dann mal eine eigene Tabelle erschaffen, die sich konkret auf den Reiseweg bezieht. Ich habe auf jeden Fall sehr positive Erfahrungen mit Zufallstabellen gemacht. Man erlebt vielleicht keine epischen Geschichten, aber man kann ohne großen Aufwand eine solide Spielleistung erreichen. Aber wenn ihr das anders seht oder allgemeiner über die Punkte sprechen wollt, könnt ihr natürlich wie immer einen Kommentar hinterlassen.