Wahrscheinlich kennt diesen Effekt jeder, der mal länger in einer (Larp) Gruppe gespielt hat. Es gibt Mitglieder, die sich sehr aktiv beteiligen und welche, denen man für jede Antwort hinterherrennen muss. Das kann sehr frustrierend sein. Ich will daher heute mal über Strategien sprechen, was sich dagegen tun lässt.
Der (Tag)Traum vom Larp
Etwa 4/5 aller Personen, die ich in meine Larp-Gruppe einlade, sind anfangs stark begeistert von der Idee des Hobbys. Die pure Vorstellung davon in toller Gewandung Abenteuer zu erleben, scheint für viele Menschen sehr verlockend. Anwerbungsgespräche werden von einer Leichtigkeit begleitet, die alles möglich erscheinen lassen. Dort spreche ich sehr angeregt mit verschiedenen Personen ohne vorherige Larperfahrung über Charaktere, Gewandungen und Plots. Aber mittlerweile weiß ich, dass das nichts bedeuten muss. Die Faszination ist so schnell verflogen, wie sie in den Gesprächen aufgekommen ist. Der erste Prüfstein besteht darin, ob es überhaupt noch ein zweites, digitales Treffen gibt, um den ersten Spieltermin zu planen. In 90% der Fällen meldet sich die zuvor noch begeisterte Person nicht von selbst. Falls sie es doch tut, beginnt nun die Phase der Desillusionierung.
Um in einer Gruppe zu spielen, müssen Einschränkungen gemacht werden. Denn jede Gruppe besitzt eine eigene Vision, die Vorgaben an Ausrüstung, Zielen und Spielweisen erzeugt. Das betrifft vor allem die Reisefähigkeit und Bereitschaft, für Spieltermine Urlaub zu nehmen. Wie oft ist es schon passiert, dass ich im ersten Gespräch mehrfach darauf hingewiesen habe, dass wir in Köln spielen, was zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Problem war. Aber als es dann ums konkrete Planen ging, die entsprechende Person aus allen Wolken fiel und dann schlicht aus der Gruppe austrat. Dieses zweite Gespräch baut einen organisatorischen Ernst auf, der noch bei dem ersten Gespräch fehlte. Auf einmal geht es nicht mehr darum, tagzuträumen, sondern den Traum zu realisieren. Das scheint für viele ein Problem darzustellen. Dann eine Absage zu erhalten, mag zwar zuerst frustrieren, ist in der Retrospektive aber eindeutig besser, als eine inaktive Person aufzunehmen.
Das Problem der Inaktivität
Nun sind die Leute also in der Gruppe und sie haben sich grundsätzlich dazu bereit erklärt, als bestimmter Charakter auf bestimmte Veranstaltungen zu fahren. Natürlich kann man dabei Pech haben. Die Veranstaltung kann nicht so gut sein, es kann irgendwas Unvorhergesehenes passieren oder Larp trifft schlicht nicht die Erwartungen des neuen Gruppenmitgliedes. Das ist schade, aber führt wiederum auch zu einer klaren Absage. Deutlich herausfordernder wird es, wenn die betreffende Person danach auf den Discord Channel verweilt und kaum oder gar nicht mehr kommuniziert. Meine Gruppe hat sich an solchen Personen teilweise die Zähne ausgebissen. Wir haben versucht, sie privat zu erreichen, sie immer wieder angeschrieben oder sogar mit dem Rauswurf gedroht. Im letzten Fall kam dann zwar eine Antwort, aber das Ergebnis blieb ähnlich. Die Person kann aus zig OT-Gründen gerade nicht, aber später irgendwann, vielleicht in ein paar Monaten, sieht es anders aus.
Wir haben daraufhin diese Leute in der Gruppe gelassen. Denn wir hatten die Hoffnung, dass nach einer bestimmten Zeit sich die Inaktivität von selbst auflöst. Leider hat sich diese Hoffnung in keinen einzigen Fall bewahrheitet. Vielleicht lag der Fehler bei uns und wir hätten es ignorieren sollen, jedoch hat uns diese Inaktivität viel Energie gekostet. Es gab eine ständige Planungsunsicherheit. Die Einbindung des Charakters in die Gruppe, gemeinsame Plotideen und materielle Vorbereitungen wurden auf Eis gelegt. Zuerst haben wir immer wieder Versuche unternommen, die Person noch zu informieren. Das fing bei unseren Bastelprojekten an und reichte bis zur Überlegung von Veranstaltungsbesuchen. Als es allerdings keine Rückmeldungen mehr gab und man davon ausgehen musste, dass auch keine mehr kommen, haben wir diese Informierungen aufgegeben. Die Person war zwar irgendwie noch in der Channelliste aber nicht wirklich mehr existent. Daran begannen wir uns zu gewöhnen und so schlief ein Teil der Gruppe ein.
Eine erfahrene Larperin aus einer anderen Gruppe meinte zu mir, dass Selektionsprozesse normal sind. Davor sollte sich die Gruppenleitung nicht scheuen und hart durchgreifen. Das mag zwar nicht harmonisch sondern autoritär sein, aber es erspart der aktiven Gruppe viel Arbeit und Zeit. Jeder, der sich nicht regelmäßig im Channel meldet, sei es auch nicht wert, Teil der Gruppe zu sein. Das hat den Vorteil, dass der kleine Rest einen gut funktionierenden Kern bildet.
Wiederbelebung durch Tagträumen
Ich kann mir vorstellen, dass das oben genannte, autoritäre Konzept funktionieren kann, wenn die Gruppe danach noch groß genug ist, um alle Funktionen einer Gruppe (gemeinsame Anreise, Zelte, Gruppenbeiträge usw.) zu erfüllen. Hier muss ich jedoch erwähnen, dass trotz über eines Jahrzehntes des Bestehens die Gruppe nicht einmal zehn Mitglieder hat. Zudem sind ihre Ansprüche an neue Gruppenmitglieder, die sie schon gerne hätten, sehr hoch. Da geht es nicht nur um Aktivität, sondern auch um klar definierte Rollen, die Neuzugänge besetzen müssten, damit es ihnen die Welt überhaupt erlauben kann, zu existieren.
Das war aber nicht der Weg, für den sich unsere Gruppe entschieden hat. Tatsächlich führte das eingangs erwähnte Tagträumen zu einer Wiederbelebung des Discordchannels. Seit drei Jahren fahren wir wieder auf eine Con. Für viele ist es die erste Con überhaupt. Die Vorfreude der aktiven Mitglieder hat einen Strom aus Fotos und Ideen von Gewandungen, Basteleien sowie Plotideen ausgelöst. Auf einmal ist der Zauber des Larps in der Gruppe wieder spürbar und wir haben die Energie genutzt, um auch unseren inaktiven Mitgliedern unsere Freude zukommen zu lassen. Plötzlich meldeten sich Leute, die wir als Karteileichen abgestempelt hatten und fingen an, mit zu planen. Alles, so scheint es, was es brauchte, war ein Funke der Freude, der die Verlockung der ersten Stunde wieder spürbar gemacht hat. Ich weiß nicht, ob das anhält. Meine Hoffnung ist es, dass dieses Feuer nach der ersten Con erhalten bleibt. Aber es ist zumindest schön zu sehen, dass sich das warten ausgezahlt hat.
An diesem Punkt würde es mich interessieren, ob ihr da ähnliche Erfahrungen gemacht habt? Was sind eure Strategien, um mich inaktiven Gruppenmitgliedern umzugehen? Wie immer bin ich auf eure Kommentare gespannt!