Wie schon viele Rollenspieler habe auch ich mir überlegt, wie toll wohl ein eigenes Rollenspielbuch wäre. Mit der feurigen Motivation des Unbedarften habe ich mich also in dieses Projekt gestürzt und erstmal 2 Jahre nur geschrieben. Nebenbei bot mir auch mein Soldatendienst viel Zeit und Freiraum, um jeden Tag ein Stückchen weiter zu kommen. September 2016 wurde ich dann mit den Texten fertig und habe festgestellt, dass jetzt die Arbeit erst richtig anfängt. Ich will für alle potenziellen Entwickler, Interessierten aber auch für Menschen, die das alles schon mal erlebt haben und Rat geben können, hier ein Entwicklungstagebuch eröffnen. Vielleicht ist es den einen oder anderen eine Hilfe, um selbst die Realisierung eines solchen Projektes einzuschätzen.
Von der Idee bis zum Text
Ich will zuerst die Vorgeschichte zusammenfassen, was bisher passiert ist, bevor ich auf die Gegenwart zurückkomme. Ganz zu Beginn habe ich einfach jede Idee niedergeschrieben. Jeder Einfall den ich hatte, jede Überlegung zu Regeln und Hintergründen fand sich auf einer Seite wieder. Es war eine chaotische Sammlung von Gedanken zu einem Sci-Fi-Universum, die ich alle erst einmal behalten wollte. Ich habe die Welt unabhängig vom Regelwerk erdacht. Es war mir wichtig, dass zuerst die Welt entsteht. Das hatte den Vorteil, dass ich keinen Einschränkungen bei der Weltenschöpfung unterlag und dann in Ruhe überlegen konnte, welche Regeln sich später im Speziellen auf den Hintergrund beziehen würden. Es war sicherlich auch andersrum möglich, also zuerst das Regelwerk zu entwickeln. Aber ich wollte zuerst ein Universum und erst dann ein Spiel aus der Taufe heben.
Nachdem ich die gröbsten Eckpfeiler meiner Welt und deren naturgesetzlichen Rahmen abgesteckt hatte, war meine nächste Frage, welche Rolle der Spieler darin übernahm. Diese Frage war entscheidend, weil sie die Art der Abenteuer, die Perspektive des Lesers und natürlich die Auswahl von Dingen, die für die Charaktere wichtig werden und beschrieben werden müssen, festlegte. Mein Universum war zu diesem Zeitpunkt bereits so aufgebaut, dass man das meiste in ihm erlebte, wenn man einen Söldner spielte. Der Gedanke, wie sehen die Spieler den größtmöglichen Teil meiner Welt, führte mich also zu diesem Charakterkonzept. Wobei Söldner dort ein Sammelbegriff für allgemein Dienstleister, also auch im zivilen Bereich, ist.
Dann kamen die Folgefragen. Was interessiert mich als Söldner? Welche Dinge wären spielrelevant? Was muss das Buch enthalten, damit ich das Potenzial dieser Rolle voll ausschöpfen kann? Der Übergang zu Regelüberlegungen war von diesem Punkt an fließend. Spätestens als ich anfing über Schiffsregeln und Aufbauten nachzudenken, musste ich dort den Hintergrund wieder erweitern. Wie bewegt man sich im Weltraum schneller als das Licht? Welche Gefahren könnten dabei lauern und wie könnte eine interstellare Gemeinschaft auf sowas reagieren? Das ständige Hinterfragen der eigenen Welt und Regeln hat meinen Aufbau beflügelt. Ich wollte vor allem, dass es konsequent, wenn nicht sogar authentisch, wirkt. Die Ideen sind bei der Umsetzung dieser Konsequenz von ganz allein gekommen. Diese selbstgesetzten Ziele halfen mir sehr, bei der Entwicklung.
Wie den Motor der Motivation am Laufen halten?
Wovor ich an dieser Stelle gleich zu Beginn warnen will, ist das erste Feedback. Ich habe natürlich meine Ideen mit meinen Freunden besprochen und von ihnen kamen auch gute Ideen. Aber manche Dinge haben sie mir auch so madig geredet, dass ich sie gleich wieder rauswerfen wollte. Da ich zu der Zeit noch keine andere Meinungsquelle hatte, wirkte das umso schwerer. Später habe ich aber erkannt, dass eben diese Dinge meine Welt ausmachten. Ich kann nur dazu raten, sich selbst treu zu bleiben. Anregungen und Kritik sollten zwar aufgenommen werden, aber man sollte sich nicht von ihnen beherrschen lassen. Man wird es nie jedem recht machen können, aber das sollte man auch nicht. Stattdessen sollte man sich auf das konzentrieren, was einem liegt.
Ich glaube, die größte Herausforderung war es, sich immer wieder zu disziplinieren und zu motivieren weiter zu machen. Es ist nicht schlimm, wenn man mal eine Woche keine Lust hat oder was Anderes machen muss. Aber man darf niemals aufgeben. Lieber sollte man sich 1-2 Stunden am Tag gezielt frei für das eigene Projekt nehmen und immer Stück für Stück arbeiten. Als ich eine Motivationsflaute hatte, habe ich einfach Computerspiele gespielt. Das hat meine Fantasie angeregt und ich wollte danach unbedingt noch das eine oder andere Element übernehmen. Mich in den Zustand der ersten Schwärmerei zurück zu versetzen, hat mir geholfen weiter schreiben zu können. Auch das Reden über die eigenen Ideen mit Interessenten kann unheimlich zum Schreiben motivieren. Man sollte nur immer im Hinterkopf haben, ein Rollenspiel zu erschaffen ist eine ungeheure Arbeit und schon allein der ernsthafte Versuch verdient Anerkennung. Rückschläge sind nicht das Ende, sondern passieren jeden Entwickler. Hauptsache man lässt das Projekt nicht einschlafen. Mir hat auch eine ruhige Arbeitsstelle geholfen. Die triste Kaserne mit ihren kaum vorhandenen Freizeitmöglichkeiten tat ihr Bestes, damit ich nicht abgelenkt wurde. So entstand in den zwei Jahren allmählich der Text.
Der Text ist da, was nun?
Nachdem alles niedergeschrieben war, was ich als notwendig erachtet hatte, fing ich an, die Texte zu systematisieren. Ordnung und Verständlichkeit waren meine Ideale dabei. Ich habe mir selbst vorgestellt, ich bin der Leser und sehe das zum ersten Mal. Laut habe ich immer wieder Passagen vorgelesen und auf meine Stimme geachtet. Was klingt noch zu verworren, was kann man auf Anhieb verstehen und wo benötige ich Beispiele? Wenn ich nach einem Thema suche, was wäre damit verwandt? Was gehört zusammen und was sollte getrennt werden? Nach diesem Muster erschuf ich dann sechs Kapitel, die in sich abgeschlossen und klar von den anderen abgetrennt waren. Ich wollte es vermeiden, Regeln in einen Fluff-Text zu finden, die die Suche erheblich erschwert hätten. So waren meine Kapitel: 1. Welt, 2. Regeln, 3. Charaktererschaffung, 4. Ausrüstung, 5. Freier Modus, 6. Auftragsgenerator
An den Kapiteln sieht man bereits meinen Versuch ein echtes 4X (oder ins Deutsche übersetzt 4E: Erforschen, Erwirtschaften, Erkämpfen, Erheben) Spiel zu erschaffen.
Ich hatte nun 700 Seiten fertig und nebenbei trudelten immer mal Bilder ein. Bei der Menge an Text benötigte ich aber eine entsprechende Menge an Illustrationen und genau da stieß ich auf eine Baustelle, an der ich heute immer noch sitze. Da ich als freiwillig Wehrdienstleistender kein hohes Gehalt hatte, konnte ich mir nie professionelle Zeichner leisten (man sagte mir, es sei für 400 Seiten mit 6000 Euro zu rechnen, konkret wurde mir ein Angebot für 10.000 Euro für die 700 Seiten als Sparpreis gemacht). Ich bin dann dazu übergegangen, über die sozialen Medien und Foren nach Künstlern zu suchen. Das war viel Arbeit, weil selbst Beiträge, in einschlägigen Gruppen, kaum Erfolg hatten. Das lag nicht daran, dass es keine Interessenten gab, sondern dass es sich bei ihnen um Hobbyzeichner handelte. Bei gut 80% wurden Termin und Bezahlung ausgehandelt, alle Modalitäten geklärt und habe ich nie wieder was von ihnen gehört. Selbst nach mehrmaligen Anschreiben nicht. Diese Unzuverlässigkeit hat zu zwei schwerwiegenden Problemen geführt.
Erstens konnte ich nichts planen. Ich wusste nicht, welche Bilder am Ende bei mir ankommen wurden, wenn sie überhaupt ankamen. Ich musste bei mehreren Künstlern dieselben Motive in Auftrag geben und habe am Ende trotzdem von keinem was erhalten. Das führte zu extremen und wiederholten Verzögerungen von vielen Monaten und direkt zu Problem Nummer Zwei. Ich war so froh, überhaupt was für erhalten zu haben, dass ich große Abstriche bei der Qualität hinnahm. Die Bezahlung hat dabei übrigens wenig geändert. Ob ich nun 20, 30 oder sogar 50 Euro pro Bild gezahlt habe, hat keine Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit gehabt. Paradoxerweise waren die Bilder, die ich von freundlichen Künstlern kostenlos erhalten habe, die mit der höchsten Qualität.
Dadurch habe ich jetzt ein unvollendetes Flickenwerk von verschiedenen Stilen mit, bestenfalls, moderater Qualität in meinem Buch. Ich bin schon dazu übergegangen zumindest technische Skizzen selbst zu malen. Ein Verleger hatte mir mal erzählt, dass man bei mangelnder oder schlechter Bebilderung bei einem Rollenspielbuch mit einer Einbuße von 60% bei den Lesern rechnen muss. Bilder sind, so kommt es mir vor, wichtiger als Texte.
Gegenwärtige Herausforderungen
Meine aktuelle Situation ist also die, dass ich noch 28 Bilder benötige und zeitgleich aber für mein Buch werben, sowie eine Veröffentlichungsmöglichkeit suchen muss. Dabei endet jetzt im Februar mein Dienstverhältnis, wodurch ich erstmal nur noch sehr wenige, finanzielle Mittel mehr habe. Es liegt also eine turbulente Zeit vor mir.
Ich hatte bisher verschiedene Verlage (Ulisses, Pegasus, Feder & Schwert, Prometheus…) angeschrieben und nur nach den Richtlinien für ein Manuskript eines PnP-Buches gefragt. Ich hatte direkt Absagen erhalten, da sich Rollenspiele, sofern es nicht die großen Systeme wie DSA oder Shadowrun sind, scheinbar zu schlecht verkaufen. Von Print on Demand hatte ich nur Negatives gehört und solange ich keine vorzeigbaren Qualitätsbilder besitze, sehe ich auch bei Kickstarter kaum Chancen. Kurz gesagt, ich steckte fest.
In den vergangenen Wochen lernte ich Annika Lewin kennen. Sie gehört der Seite Teilzeithelden an und hat es sich zur Aufgabe gemacht, als gute Rollenspielfee, jungen Rollenspielentwicklern bei ihrem langen und mühsamen Weg zu ihrem ersten Buch zu helfen. Von ihr habe ich auch die Anregung erhalten, ein Entwicklertagebuch zu führen. Durch ihre Erfahrung und Kontakte habe ich jetzt wieder einen Weg vor Augen und das Gefühl, dass es vorangeht. Im Detail heißt das, ich werde jetzt Probepartien spielen, um die Regeln auf Herz und Niere zu prüfen, mich auf Rollenspielmessen begeben und auch mit bekannten anderen Entwicklern versuchen zu vernetzen. Die Schlüsselphrase heißt sichtbar werden und genau das habe ich mit Blogeinträgen, Forenarbeit und Messebesuchen vor. Ich bin gespannt, welche Weg das Buch noch nimmt und ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt. Ich freue mich über jeden Rat und jede Meinung zu diesem Thema.
Wow, da hast du ja schon ne ganze Menge investiert. Mich wundert aber, dass du erst so spät mit dem Testen anfängst. Eine gewisse Beschreibung des Universums besucht man natürlich, wenn man darin spielen will, aber ich hätte angefangen zu spielen, wenn die Regeln nur bruchstückhaft vorhanden sind, den dabei kann nochmal viel über den Haufen geworfen werden. Aber ich will jetzt nicht die Vergangenheit kritisieren, sondern empfehlen ganz viel zu testen und dabei das schreiben des Regelteils ruhig schleifen zu lassen bis die Regeln stabil sind.
Auf jeden Fall, da hast du ganz recht. Ich werde noch intensiv testen müssen. Um auf deine Frage zu antworten, mir haben oft schlicht die Spieler gefehlt. Entweder war kein Interesse oder keine Zeit vorhanden. Ich war dann gezwungen selbst zu testen. Dadurch habe ich zumindest die Grundregeln stabil zum Laufen bekommen. Allerdings ist das eben nur meine Meinung. Es gab zwar eins, zwei Testrunden, die mir gezeigt haben, dass die Theorie funktioniert. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Balance stimmt. Die intensiven Tests werden sich also weniger um die allgemeine Funktionalität, als viel mehr um die genauen Stellschrauben drehen. Das sind zum Glück willkürliche Werte, die ich ohne Weiteres verändern kann.
Vielleicht helfen dir die Zusammenfassungen dieses Seminars zur Rollenspielentwicklung weiter. Die Veranstaltung hat sich mit der Regelentwicklung von der ersten Idee bis zum fertigen System beschäftigt.
https://eisparadies.wordpress.com/2017/01/17/seminar-rollenspielentwicklung-rueckschau/
Vielen Dank für den Link. Ich halte Rollenspieltheorie immer für sehr aufschlussreich. =)