Da ich derzeit wieder am Rekrutieren für die eigene Larp-Gruppe bin, ist mir aufgefallen, wie schwierig das mitunter sein kann. Damit meine ich nicht nur den Vorgang des Suchens und Findens selbst, sondern auch der längerfristigen Bindung an die Gruppe. Deshalb will ich in diesem Beitrag einmal meine Erfahrungen zu diesem Thema preisgeben und hoffe, dass sie euch vielleicht nützen.
1. Das Finden
Zahlreiche Larper haben mir gesagt, dass diese Phase die schwierigste von allen sein soll. Denn Neuzugänge, so sagten sie, findet man eh nur auf Cons. Es gäbe zwar Internetforen, in den sich ausgetauscht und verabredet wird, aber da würde es selten klappen. Das sehe ich tatsächlich differenzierter.
Es stimmt, dass die Rekrutierung auf Cons leichter und sicherer ist, als über das Internet. Schließlich sieht man die Person direkt spielen, merkt, welchen Habitus sie an den Tag legt und überzeugt sie von sich am besten gleich mit eigenem Spiel. Sofern das Larpneulinge sind, die sowieso eine Gruppe gesucht haben, ist das alles richtig. Schwieriger wird es, wenn sie bereits eine Gruppe haben (was häufig der Fall ist). Dann muss das Spiel zwischen den Gruppen funktionieren und selbst wenn das der Fall sein sollte, existiert nach wie vor eine Distanz zu dem gewünschten Neuzugang. Wir hatten mal einen Elfen-Paladin, den wir bei uns haben wollten. Wir kamen mit der Gruppe gut klar, sie wollte sich sogar in unsere integrieren. Aber dann stießen die Regelsysteme der Gruppen aufeinander. Unsere Gruppe erhebt einen Gruppenbeitrag, in ihrer Gruppe bezahlt jeder für sich. Wir haben Elfenspieler bei uns, die sich Menschen gegenüber überlegen darstellen, das wollten die nicht. Der Elfen-Paladin hatte zwar viel Spaß mit uns, aber hat sich vor allem seiner Gruppe verpflichtet gefühlt. Anstatt also einfach mit uns auf Veranstaltungen zu kommen, hat er auf das grüne Licht seiner Gruppe gewartet. Am Ende ist mit der Integration nichts geworden, weil es zu viele Widerstände einfach dadurch gab, dass wir zwei Gruppen waren. Da kann ich also eher empfehlen, als Verbündete so lange zusammen zu spielen, bis man sich OT angefreundet hat und diese Grenze zwischen den Gruppen aufweicht.
Der zweite Punkt, den ich stark machen will, ist der, dass man recht erfolgreich über das Internet Neuzugänge rekrutieren kann. Die Plattform und die Art des Anschreibens sind dabei aber sehr wichtig. Zuerst einmal muss die Plattform aktiv genutzt werden. Als in den intensiven Corona-Zeiten nebenan.de das neue, heiße Ding war, habe ich wöchentlich Anfragen für Brettspielrunden bekommen. Als ich mich hingegen vor zwei Jahren auf Larper.ning angemeldet hatte, kam letzten Monat meine erste und bis dahin einzige Nachricht. Auf beiden Seiten war ich etwa gleich aktiv. Es gibt im Netz leider keine zentrale Larpplattform. Aber die aktivste, die ich kenne, ist die Facebook-Gruppe „Larper sucht Gruppe, Gruppe sucht Larper“. Gerade Larp-Anfänger posten hier frequentiert. Seltsamerweise habe ich, in all meinen Jahren der Anwerbung, es noch nie geschafft, über diese Seite dauerhaft jemanden zu halten. Das mag aber auch an der hohen Konkurrenz und unseres spezifischen Gruppenkonzeptes (Elfischer Hofstaat vs Nordleute, Söldner und Piraten) liegen.
Deutlich bessere Erfahrungen konnte ich mit Geekdating machen. Das ist eigentlich eine Datingseite für Nerds, aber aufgrund ihrer Zielgruppenzuschneidung eignet sie sich ideal für die Suche nach Hobbyisten. 90% meiner derzeitigen Gruppe habe ich über Geekdating rekrutieren können. Es gibt keine offiziellen Gegenangebote dort und viele der Mitglieder dort interessieren sich für Fantasy, Cosplay oder Rollenspiel. Die notwendige Bereitschaft, die es erfordert sich auf einer Datingseite anzumelden, öffnet scheinbar auch für andere Lebensbereiche Tür und Tor. Das Wichtige ist hier ein ordentliches Anschreiben. Die Damen, die ich darüber kennengelernt habe, erzählten mir nämlich, wie wenig attraktiv Anschreiben sind, die nur ein „Hi“ oder „Wie gehts dir?“ beinhalten. Konkrete Daten: Wir sind Gruppe X, spielen im Raum von Y und suchen Z, helfen für belastbare Zusagen sehr.
Was in bestimmten Fällen auch nützlich war, waren Sammlungen von Orgas und Gruppen. Es gibt, vom Larper.ning organisiert, eine Discord-Gruppe für Larper und Orgas. In der Vorstellung der einzelnen Gruppen/ Einzelpersonen ergab sich auch schon das eine oder andere Gespräch.
Aber diese Auflistung ist natürlich weder vollständig noch besonders groß. Wenn ihr da noch eigene Plattformen oder Wege zum Finden von Neuzugängen kennt, postet sie gerne in die Kommentare.
2. Das Überzeugen
Was viele unterschätzen, ist dass das Finden von Interessenten nicht ausreicht. Diese müssen auch von der eigenen Gruppe überzeugt werden. Diese Überzeugungsarbeit kann leider schon an den einfachsten Dingen scheitern. Ich liste hier mal einige davon auf, die für uns sehr frustrierend waren und die sich gleich im ersten Gespräch vermeiden lassen:
2.1. Die Rahmenbedingungen klären: wir spielen im Raum Köln bis Dortmund und um Leipzig. Auch wenn ich das immer erwähne, gibt es später, wenn schon der Charakter steht, immer wieder Spieler, die plötzlich bei der Conplanung aus allen Wolken fallen und meinen, dass ihnen das zu weit ist.
Der Gruppenbeitrag ist auch ein Filter. Wir haben ihn bei 10 Euro pro Monat pro Spieler angesetzt. Für Studenten und Personen in Ausbildung ist das sicher viel. Aber das Experimentieren mit verschiedenen Beiträgen ging nicht gut und wir brauchen das Geld für die Lagerausstattung sowie die Reisekosten. Ich kannte mal eine Gruppe, die hat verschiedene Tarife eingeführt. Es gab auch den 1 Euro Mitgliedsbeitrag. Das aber empfanden alle, die mehr zahlten, als ungerecht. Folglich war in dieser Gruppe ständig Streit über das Mitbestimmungsrecht und die Privilegien der 1-Euro-Zahler. Deswegen sagen wir 10 Euro für alle. Wir bieten 2 kostenfreie Mitspielmöglichkeiten, bei dem sich die Neuzugänge ausprobieren können, aber danach müssen sie sagen, ob sie mitmachen oder nicht. Wer das nicht will, kann nicht bei uns mitspielen.
Das müssen wir klar kommunizieren, weil sich ansonsten nur Probleme auftun. Deswegen kann ich nur empfehlen, die Rahmenbedingungen sicher vermittelt zu wissen.
2.2. Die Vision teilen: es geschieht immer mal wieder, besonders unter Cosplayern, dass sie für die Schauwerte larpen wollen. Das ist grundsätzlich als Neuling im Larp in Ordnung. Mit der Gewöhnung kommt dann die Sicherheit zum Spielen. Aber Larp ist kein Cosplay. Jede Gruppe stellt einen Hintergrund dar. So ist es zwar schön, wenn Neuzugänge bereits Gewänder haben, doch wenn diese dem Gruppenhintergrund widersprechen (Totenbeschwörer für Adelsgruppe), dann muss man darüber reden, wie die eigenen Vorstellungen in das Gruppenkonzept passen. Wir hatten jetzt schon ein paar Mal den Fall, dass bestimmte Personen unbedingt ihre Gewandung behalten wollen, obwohl sie der Idee unserer Gruppe widersprochen hatte. Auch hier hat es nur geholfen, ein Gegenangebot zu machen und wenn das nicht angenommen wird, dann geht es leider nicht. Am Anfang, besonders als wir noch wenige waren und eigentlich jeden Neuzugang behalten wollten, haben wir uns sehr verbogen, damit diese Spieler bei uns mitspielen konnten. Aber geholfen hat es nichts. Denn da ihre Vorstellung von Spiel schon von Vornherein nicht mit unserer Gruppenvision im Einklang stand, hatte man sich dann doch wieder schnell voneinander getrennt. Plötzlich waren aber Fakten geschaffen und das heißt Schaden im Hintergrund angerichtet wurden, der auch nach dem Weggang des entsprechenden Spielers erhalten blieb.
2.3. Das Konzept durchdenken: es reicht nicht zu sagen, ich will Adel spielen. Das tun viele, besonders ältere Spieler, die weder den Plot zu Fuß verfolgen, kämpfen oder anderweitig physisch gefordert sein wollen. Die Idee ist: ich will im Lager bleiben, meine Ruhe haben, schick aussehen und trotzdem was zu sagen haben. Was könnte da also besser passen als ein Adliger, richtig?
Auch das stimmt nicht ganz. Grundsätzlich ist es wichtig, dass Spieler wissen, auf welche Aktivitäten sie Lust haben. Das wird schließlich die Grundlage für ihren Charakter. Diese Grundlage muss aber durchdacht werden. Speziell das Adelsspiel ist für Larp-Anfänger nicht geeignet, denn Abstammung, Amt, Wissen um die Welt, eigene Ambition usw. verlangen selbst Larp-Veteranen viel ab. Wir haben einen Kämmerer bei uns, der wirklich nur im Lager sitzt. Ohne vorbereitetes Wirtschaftsspiel langweilt der sich auf der Con zu Tode. Das ist ein Nachteil, den sein Konzept mit sich bringt und das führt natürlich dazu, dass er sich fragt, ob das überhaupt die richtige Rolle für ihn ist. Das heißt, selbst wenn der Spieler die Vision der Gruppe teilt, wird dennoch Spiel für ihn benötigt. Die Rolle muss sinnvoll in der Gruppe spielbar sein oder entsprechend angepasst werden. Ansonsten ist es schwer möglich, die Rolle oder den Spieler in der Gruppe zu halten.
3. Das Halten
Dieser Punkt hat erstmal weniger mit dem Rekrutierungsprozess an sich als viel mehr mit dem internen Umgang der Gruppe zu tun. Selbst wenn ein neuer Spieler erfolgreich rekrutiert wurde, können noch allerlei Dinge geschehen, dass er das Interesse an der Gruppe verliert. Bei uns war der Klassiker, dass sich bestimmte Personen nicht leiden konnten. Auch wenn es unangenehm ist, das muss geklärt werden. Wir hatten etwa einen älteren Herrn mal bei uns, der meinte Ossi-Witze sind noch zeitgemäß und man müsste unsere ostdeutschen Spieler damit überziehen. Auch wenn die Spielerin, die das Opfer dieser „Witze“ wurde, es stoisch hinnahm, sah ich mich als Teil der Gruppenleitung berufen, einzugreifen. Es stellte sich heraus, dass das die richtige Entscheidung war. Die Spielerin hatte, auch wenn sie es nicht erwähnte, langsam durch den Herrn die Lust am Spiel in unserer Gruppe verloren. Der Herr selber leistete sich auch noch gegen andere Mitspieler solche Aussetzer. Dadurch warfen wir ihn raus und die Harmonie war wieder hergestellt.
Das war unserer Gruppe immer wichtig, dass wir harmonisch und verständig miteinander umgehen. Wir sind zwar nicht alle untereinander befreundet, aber niemand ist dem anderen unangenehm. Das hilft dem Zusammenhalt sehr. Das heißt aber auch, dass wir sehr genau darauf achten, wer uns beitritt und dass die Gruppenmitglieder ein Veto-Recht gegen Neuzugänge haben.
Ein zentraler Punkt ist die Gruppenaktivität. Wenn man mal einige Monate, etwa durch Corona, nicht auf Larp fahren kann, kann das zu einem Problem werden. Die Leute wenden sich anderen Hobbys zu oder suchen sich andere Gruppen. Deswegen machen wir neben den Larp auch noch andere Dinge über den Gruppenkanal. Wir zocken, basteln und schreiben zusammen. Wir versuchen es aktiv zu vermeiden, dass die Gruppe einschläft. Das ist bei einigen Interessenten gar nicht mal so leicht. Desto seltener jemand an Veranstaltungen teilnimmt, umso schwerer scheint es mir, ihn wieder für Larp zu aktivieren. Wir haben dazu OT-Gewandungstreffen eingeführt, damit wir uns als Gruppe überhaupt einmal wiedersehen und die Vorfreude auf gemeinsame Cons in uns erhalten bleibt.
Das waren meine Gedanken zur Rekrutierung von neuen Spielern. Wenn ihr eigene Ideen und Strategien habt, dann freue ich mich, sie in den Kommentaren lesen zu dürfen!