Kennt ihr das? Ihr erschafft etwas Eigenes und eigentlich scheint es auch zu funktionieren, aber irgendwie seid ihr nicht zufrieden damit. Ihr setzt euch Tag für Tag daran, um es auszubessern oder, neue Inhalte oder Funktionen hinzufügen. Aber je weiter ihr kommt, desto mehr habt ihr das Gefühl, euch in eine Sackgasse zu arbeiten.
So zumindest geht es mir derzeit mit meinem Brettspiel. Ich will deswegen den heutigen Beitrag nutzen, um selbst ein wenig meine Gedanken zu meinen derzeitigen Gamedesign-Herausforderungen zu ordnen.
Worum geht es?
Das grundlegende Spielkonzept ist schnell erklärt. Jeder Spieler regiert einen interstellaren Staat und versucht durch verschiedenste Aktionen (Kolonien aufbauen, Zentrum der Karte halten, Erobern anderer Siedlungen, Forschungsbäume beenden usw.) Siegpunkte zu sammeln. Dafür baut man Gebäude und Schiffe, erkundet Systeme, schlägt Schlachten, schließt Verträge mit anderen Spielern und reformiert seine Regierung. Soweit, so klassisch 4X. Derzeit gibt es aber noch 3 Probleme, die mich am Gameplay stören.
1. Übersichtlichkeit – Problem: es gibt 4 Rohstoffe (Nahrung, Geld, Forschung, Kultur) und die können aus den unterschiedlichsten Quellen gewonnen werden, die an den unterschiedlichsten Stellen auf dem Tisch platziert sind. Die Darstellung läuft über den Einsatz zahlreicher Würfel, die das Einkommen und das Konto als Einer- und Zehnerstelle abbilden. Da ich aber noch keine Lösung habe, wie ich Auslassungen (Führungsrillen) für Würfel bauen kann, ist das Verrutschen ein großes Problem. Selbst wenn ich mir etwas gegen das Verrutschen überlege, sind immer noch viele Würfel im Spiel. Das ist fummelig und erhöht stark das benötigte Spielmaterial.
Lösung: Ich habe ein Javascript gebaut, um die Würfel zu eliminieren. Das Script ist vom Design her spartanisch, erfüllt aber seine Funktion. Es entlastet den Tisch und vereint alle Rohstoffquellen auf einen Handybildschirm. Die Quelle der Rohstoffe und ein Log, wann welche Veränderung stattfand, helfen der Übersicht und Nachvollziehbarkeit. Eine eventuelle Schwierigkeit gibt es dabei jedoch schon: es ist ein digitales Hilfsmittel für ein analoges Produkt. Nicht jeder Brettspieler ist ein Freund von Apps für ein Brettspiel. Aber sagen wir, dass das mein geringstes Problem ist.
2. Downtime – Problem: Sie ist ein ebenso klassischer wie unvermeidbarer Nachteil bei 4X Spielen. Wenn jemand seinen Zug macht, müssen die anderen warten. Das kann aufgrund der Komplexität von 4X Spielen allerdings sehr lange dauern. Mein Rekord waren 60min für eine von fünf Phasen einer Runde. Wobei hier auch wichtig zu erwähnen ist, dass diese Zeit massiv mit den teilnehmenden Spielern variieren kann. Sehr redelustige Spieler oder Spieler ohne Spielerfahrung benötigen das Doppelte bis Dreifache für ihre Züge. Das ist zwar normal, macht das Problem mit der Downtime aber noch dringlicher.
Lösung: Derzeit ist es so, dass ich jeden Spieler seine vollen Aktionen nacheinander pro Phase durchführen lasse. Das heißt etwa, in der Ökonomie-Phase kauft zuerst Spieler 1 so viel, wie er Rohstoffe hat, dann Spieler 2 und so weiter. Die einzige Lösung, die mir dazu einfällt, ist es, die Spieler nur eine begrenzte Anzahl von Aktionen durchführen zu lassen. Ich weiß noch nicht, wie viel das sein werden, wahrscheinlich aber 1-2, dann ist der nächste Spieler an der Reihe. Das erhöht die Reaktivität von Spielern aufeinander und unterbricht Großgrübler, weil sie immer erstmal schauen müssen, was die anderen so kaufen und dann erst weiterplanen können.
Ich hatte mal testweise einen separaten Arena-Spielmodus hinzugefügt, in dem die Wartenden für den Geld-Rohstoff mit neutralen Einheiten Schiffskämpfe durchführen konnten (das Schiffdesignsystem ist vielfältig und bietet viel Experimentierpotenzial), um die Zeit zu überbrücken. Aber da kam dann tatsächlich die Aussagen, dass sie teilweise die Downtime brauchen, um über ihre Züge nachzudenken. Sie wollten sich damit nicht ablenken lassen.
3. Spielgefühl – Problem: Derzeit gibt eine Regierung einen Bonus auf Rohstoffe, ermöglicht es bis zu 4 verschiedene Politiken einzuführen, die sich tatsächlich sehr anders anfühlen und kann noch eine besondere Fähigkeit haben. Regierungen spielen sich verschieden. Das ist gut, aber am grundsätzlich sind sie Boni für bestimmte Spielweisen. Das innere Gefüge eines Staates, die Stimmung der Bevölkerung, die Besonderheiten der eigenen Staatssysteme werden nur abstrakt und stark vereinfacht dargestellt. Das ist für den Spielfluss gut, lenkt das Spiel aber von einer narrativen, atmosphärischen Ebene hin zu einem eher technischem Spielerlebnis. Gerade unerfahrene Spieler haben so im Midgame auch wenig Orientierung. Der Begriff Demokratie allein vermittelt keine friedliche, auf interstellare Kooperation ausgelegte Spielweise. Diese ist für diese Regierung aber tatsächlich am erfolgsversprechenden. Stattdessen wird schlicht geschaut, welcher Boni noch akkumuliert werden kann, ohne dass die Regierung dabei eine große Rolle zu spielen scheint.
Lösung: Also habe mir überlegt, dass ich für jede Regierung Ziele einfüge. Das soll einerseits stringentere Spielweise unterstützen und über die Ziele auch mehr Hintergründe zu den einzelnen Regierungen einbringen.
Neues Spielsystem, neues Problem
Jetzt kommt das große ABER. Die Spieler kamen zu mir und haben gefragt, ob ich ein Choose your own Adventure (es gibt eine Anzahl an Paragraphen, aus denen der Spieler wählen kann und mit diesen wird die Geschichte dann fortgesetzt) daraus machen kann und sie über die wählbaren Pfade noch mehr von dem Welthintergrund erfahren können. Einer hat sich zudem ein Dialogsystem gewünscht.
Als brennender Rollenspieler und langjährige Spielleitung war ich natürlich sofort Feuer und Flamme. Ich habe begeistert zig Stunden in einen ersten Entwurf verfeuert. Das Ergebnis war, dass ich nach einer Woche Arbeit jetzt genau EINE Partei von 4 nur für die Demokratie fertig geschrieben haben (12 A4 Seiten). Es gibt insgesamt 15 Regierungen, von denen Demokratie nur die erste war.
Jetzt sitze also hier und überlege hoch und runter, ob ich diese Idee weiterverfolgen sollte. Die innere Verfasstheit der Regierungsformen können zwar sehr gut bespielt werden und es eröffnen sich viele neue Ziele und Spielmöglichkeiten damit, aber ich befürchte, dass der Fokus verlagert wird und wieder mehr Downtime entsteht. Gerade ein Dialogsystem mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten, die ja auch alle verschiedene Effekte haben müssen, ist eine andere Art von Spiel. Ich bin mir nicht sicher, ob die Systeme vereinbar sind. Zumal sich dann auch die Frage stellt, wann die Spieler die Texte lesen sollen, wenn jeder nur eine Aktion durchführt. Es steht zu befürchten, dass die Spieler entweder ständig beim Lesen unterbrochen werden oder die Runde erst dann fortgesetzt werden kann, wenn der Spieler das Lesen beendet hat.
Ich werde hier mal das Dokument mit den ersten Entscheidungspfaden hochladen, damit ihr euch selbst ein Bild davon machen könnt. Ich bin auf eure Kommentare gespannt, ob ihr mal ähnliche Designschwierigkeiten hattet oder vielleicht sogar Ideen für eine Lösung habt.
Bei 1.142 brauchst du eine etwas knackigere Drohung.
„Ich ramme dich so tief unters Parkett, dass dich selbst die Archäologen in tausend Jahren noch für ein Relikt der Feigheit halten.“
Beispielsweise.
Den Rest muss ich mir durch den Kopf gehen lassen bevor ich was dazu sage, aber ich melde mich sobald ich ein paar Lösungen habe!
Vielen Dank für deinen Kommentar und das Lesen.
Wie war dein Eindruck? Das Ganze ist erstmal nur ein Entwurf. Du musst dir vorstellen, eigentlich spielst du ein Brettspiel, gibst deinen Zug ab (jetzt dauert das gerne eine Viertelstunde, bist du wieder dran bist) und kannst nun in Ruhe lesen.
Ich habe da folgende Spannung drin: einerseits will ich die Hintergründe und vor allem ein Gefühl für die Regierungsform transportiert bekommen, andererseits soll es dich aber auch nicht zu sehr vom Spielen ablenken. Ich habe mich daher für sehr kurze Aussagen mit minimaler Beschriebung entschieden, dafür aber die Auswahlmöglichkeiten, auch im Sinne des Wiederspielwertes, erhöht. Grundsätzlich steht von der Spielmechanik im Hintergrund, dass du immer ein Ziel erhältst und andere Spieler darauf einwirken können. Das muss immer gegeben sein.
War es für dich interessant, die Pfade mal abzulaufen? Würdest du dir noch mehr Text oder Interaktion wünschen? Ist es vielleicht schon zu viel Text?
Ich werde übermorgen eine leichte Variane davon testen, ohne Text, nur mit Zielen. Damit erhoffe ich mir zu überprüfen, aber die Spielmechanik, Ziele in eine Sandbox einzufügen, überhaupt sinnvoll und spaßig ist.